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Berlin: Verwaltungsreform: Ein klassischer Zielkonflikt

Voller Freude nehmen wir dieser Tage zur Kenntnis, dass die Berliner SPD sich von ihrem etatistischen Denken verabschiedet hat, wonach dem Bürger nur jene Veranstaltungen gut tun, die vom Staat verwaltet und von der Politik kontrolliert werden. Die Verwaltungsreform ist offenbar doch ein Projekt dieser Partei, wobei sie konsequent die Verantwortlichkeiten dort ansiedelt, wo sie hingehören.

Voller Freude nehmen wir dieser Tage zur Kenntnis, dass die Berliner SPD sich von ihrem etatistischen Denken verabschiedet hat, wonach dem Bürger nur jene Veranstaltungen gut tun, die vom Staat verwaltet und von der Politik kontrolliert werden. Die Verwaltungsreform ist offenbar doch ein Projekt dieser Partei, wobei sie konsequent die Verantwortlichkeiten dort ansiedelt, wo sie hingehören. Wie sonst ist die plötzliche Entlassung der Vorstände der Berliner Bäderbetriebe (BBB), Dietmar Ranz und Günter Kube, durch den Sportsenator Klaus Böger zu erklären? Lassen wir die böswillige Vermutung, Böger wolle die Posten für Parteifreunde freimachen, einmal beiseite, so bleibt die Frage, was den Vorständen, die mit hohen Gehältern und nach sorgfältiger Auswahl vor vier Jahren nach Berlin geholt wurden, vorgeworfen wird.

Da ist die Rede von einem lange bekannten Rechnungshofbericht, wonach Aufträge nicht ordnungsgemäß ausgeschrieben, Vorauszahlungen für (noch) nicht erbrachte Leistungen gezahlt und dadurch Zinsverluste entstanden seien. Der Rechnungshof selbst erklärt dies mit der an das Jährlichkeitsprinzip der Landeshaushaltsordnung (LHO) gebundenen und daher zeitgerechten Inanspruchnahme von Zuschüssen.

Falls tatsächlich Verstöße gegen die Haushaltsordnung begangen worden sein sollten, bleibt die Frage, ob diese so schwerwiegend sind, dass sie eine mit erheblichen Kosten verbundene Entlassung der beiden Vorstände rechtfertigen. Der Rechnungshof bemängelt jährlich Verstöße gegen die LHO in fast allen Behörden, ohne dass den leitenden Mitarbeitern gekündigt würde. Wichtiger ist aber die Frage, warum die Vorstandsmitglieder möglicherweise in den Konflikt mit der Landeshaushaltsordnung gerieten.

Vorteil für das Unternehmen

Ranz und Kube haben sich im Sinne einer wirtschaftlichen Geschäftsführung für das "Unternehmen" Berliner Bäderbetriebe schlüssig verhalten: Um sich die Zuwendungen nicht entgehen zu lassen, wurden Zahlungstermine vorverlegt und wurde womöglich von Ausschreibungen abgesehen. Diese Vorgehensweise war für das Unternehmen von Vorteil.

Ein klassischer Zielkonflikt: wirtschaftlich handeln oder die Vorschriften der LHO einhalten. Die Bäderbetriebe sind kein Unternehmen im herkömmlichen Sinne, sondern eine Anstalt des öffentlichen Rechts - eine Einrichtung, die der Wirtschaftlichkeit ebenso wie dem Haushaltsrecht und politischen Eingriffen unterworfen sein soll.

Auch die Berliner Verkehrsbetriebe (BVG) und das Jugendaufbauwerk Berlin (JAW) sind als Anstalten öffentlichen Rechts organisiert. Hier ist der Zielkonflikt bereits in der "Unternehmensverfassung" angelegt, und hier gewinnt die Affäre um die Entlassung von Ranz und Kube generelle Bedeutung für das Politikverständnis und die Halbherzigkeit von Ansätzen der Verwaltungsreform.

Anderswo ist bei der Ausgliederung von wirtschaftlich zu erfüllenden öffentlichen Versorgungsaufgaben aus der allgemeinen Verwaltung überwiegend die Organisationsform der GmbH gewählt worden. Fast überall hat sich der politische Einfluss auf die Wahrnehmung der Gesellschafterfunktion beschränkt, konnte sich die Geschäftsführungsverantwortlichkeit weitgehend am Gesellschaftsrecht und an allgemeinen Grundsätzen des Wirtschaftens orientieren.

Nicht so in Berlin. Bereits mit Erlass des Eigenbetriebs-Reformgesetzes in den achtziger Jahren hatten sich die Etatzentristen in SPD und ÖTV durchgesetzt. Starke politische Kontroll- und Einflussrechte wurden etabliert, die öffentlich-rechtlichen Mitwirkungs- und Statusrechte der Mitarbeiter nicht eingeschränkt, die enge Bindung an das öffentliche Haushalts- und Tarifrecht nicht aufgegeben. Eine halbherzige Reform, angetrieben von irrationalen Privatisierungsängsten.

Den Anstalten öffentlichen Rechts wurde eine verwahrloste Infrastruktur aufgebürdet. Sie sollten hohe Personalüberhänge "sozialverträglich" und ohne betriebsbedingte Kündigungen abbauen, gleichzeitig umfassende Modernisierungen in Infrastruktur und Management einleiten, aber auch wirtschaftlich, d. h. an "Marktpreisen" orientiert arbeiten, wobei diese Preise von der Politik vorgegeben wurden. Zusätzlich sollten die Anstalten durch jährlich sich verringernde öffentliche Zuschüsse erhebliche Einsparpotentiale für den Landeshaushalt erbringen. Eine weitergehende Ausstattung mit Betriebskapital fand nicht statt; weder wurden Eigentumsrechte an den Betriebsgrundstücken übertragen, die die Kreditfähigkeit ermöglicht hätten, noch erfolgte - analog zum Krankenhaus- oder Seniorenheimbereich - eine Regelung zu den Investitionskosten. Die enge Bindung des Geschäftshandels der Anstalten an die Landeshaushaltsordnung wurde nicht aufgehoben.

Mach-mich-nicht-nass-Politiker

Demgegenüber sahen die rasch durch Senat und Abgeordnetenhaus gepeitschten Errichtungsgesetze aber ausführlich geregelte Eingriffs- und Kontrollrechte der Politik vor. Die Modernisierungs- und Innovationsleistungen der BBB unter diesen Bedingungen sind gleichwohl bemerkenswert, was regelmäßige Schimmbad-Besucher bestätigen können. Die "Wasch-mir-den-Pelz-aber mach-mich-nicht-nass-Politiker" in SPD und ÖTV jedenfalls sollten sich öfter mal einer Ganzkörperreinigung bei der BBB unterziehen, wenn sie bei den nächsten Wahlen nicht endgültig baden gehen wollen.

Michael Hütte

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