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Panne um Panne. In vier Bezirken musste bislang noch mal nachgezählt werden. Und in Lichtenberg wird noch immer über das Ergebnis gestritten.

© dpa

Verzählt: Pannen und Nachzählen gehören fast zu jeder Wahl

Berlin ist mit seiner Wahlpannenserie keine Ausnahme. Auch in anderen Städten mussten Helfer regelmäßig nachsitzen. Politikwissenschaftler Stöss sieht keinen Grund die Berliner Wahlordnung zu ändern.

Der Politikwissenschaftler Richard Stöss hat eine klare These zu der Wahlpannenserie, die unter Berliner Politikern Unmut hervorgerufen hat: „Zufall“ sei es, sagt Stöss, dass kaum ein Tag nach dem 18. September vergangen ist, an dem nicht Auszählungsfehler zu melden und Wahlergebnisse zu korrigieren waren. Wenn die Ergebnisse der Kandidaten dicht beieinander liegen, wirken sich Zählfehler stärker aus als in Wahlbezirken, in denen ein Kandidat mit hunderten Stimmen vorne liegt.

Die Berliner Wahlordnung muss aus Sicht des Politikwissenschaftlers jedenfalls nicht verändert werden. Er selbst sei auch schon Wahlhelfer gewesen, sagt der Politikwissenschaftler. Da habe man dann eben bis Mitternacht zählen müssen. Nicht mal in den besonders von den Pannen betroffenen Fraktionen von SPD und Linken gibt es harte Kritik an der Organisation und den Organisatoren der Wahl. Es wäre allerdings angenehmer, heißt es in der SPD und bei der Linken, wenn in besonders heiklen Nachzähl-Fällen jemand von der Wahlleitung die Betroffenen informiere, statt dies den Medien zu überlassen.

Im Falle der umstrittenen und mehrfach korrigierten Wahlergebnisse im Bezirk Lichtenberg gibt es weiterhin einen offenen Konflikt innerhalb des bezirklichen Wahlausschusses. Während der bezirkliche Wahlleiter nach der letzten Neuzählung die Lichtenberger Ergebnisse an den Landeswahlleiter schickte und das Ergebnis dort als abgeschlossen registriert wurde, widerspricht ein Mitglied des nach Parteienproporz zusammengesetzten Wahlausschusses dieser Darstellung, „Wir haben nur die Ergebnisse der Bezirksverordnetenwahl abgesegnet, nicht die der Abgeordnetenhauswahl“, sagte Michael Tenz, der für die SPD im Lichtenberger Wahlausschuss sitzt, dem Tagesspiegel am Donnerstag.

Nach seiner Darstellung hätten er sowie Gabriele Kind vom Wahlausschuss wegen der Widersprüche der verschiedenen Zählergebnisse eine weitere Nachzählung beantragt und den Ergebnissen nicht ihre Zustimmung gegeben. Sie seien davon ausgegangen, dass nun der Landeswahlausschuss entscheiden muss, ob in Lichtenberg erneut gezählt wird.

Lesen Sie auf Seite 2 in welchen Bundesländern ebenfalls nachgezählt werden musste.

Beim Landeswahlleiter hingegen ist das Lichtenberger Ergebnis als „nicht strittig“ eingegangen, sagt der Geschäftsstellenleiter Geert Baasen. „Das Ergebnis ist so mehrheitlich beschlossen worden“, in der Niederschrift des bezirklichen Wahlausschusses sei von einem Widerspruch oder einem Antrag auf Nachzählung nicht die Rede. Daher sei das Lichtenberger Ergebnis „erstmal“ kein umstrittener Punkt mehr für den Landeswahlausschuss, der am 6. Oktober zusammentritt, um das offizielle Endergebnis für ganz Berlin zu verkünden. Allerdings sei es immer noch möglich, dass in der Sitzung im Oktober ein Mitglied spontan weitere Prüfungen fordert. Michael Tenz aus Lichtenberg und andere Skeptiker des Ergebnisses wollen jetzt besprechen, ob sie über sozialdemokratische Mitglieder im Landeswahlausschuss einen entsprechenden Antrag stellen.

Die Berliner Pannenserie mag besonders lang sein – woanders zählen die Wahlhelfer meistens auch nicht genauer. In Bremerhaven, wo im Mai nach einem komplizierten Wahlrecht gewählt wurde, gibt es einem Sprecher des Senats zufolge noch immer Streit um einige Ergebnisse. Weil in Bremen das Kumulieren und Panaschieren von Stimmen erlaubt ist, sei der Wahlzettel wegen der vielen Entscheidungsmöglichkeiten als Heft ausgefertigt worden, mit den Namen der Listen und Parteien auf dem Umschlag, so der Sprecher. Manche Wähler hätten daraufhin ihre Kreuze auf dem Umschlag statt im Heft gemacht. Das sei in einigen Wahlbezirken anerkannt worden, in anderen nicht. In Rheinland-Pfalz, wo im März gewählt wurde, bestand Korrekturbedarf auf höchster Ebene: Bildungsministerin Doris Ahnen (SPD) verlor nach der Korrektur einer Zählpanne das ihr zunächst zuerkannte Direktmandat an den Kandidaten der CDU; der hatte 13 Stimmen Vorsprung. In Köln gab es 2009 eine Pannenserie, die einen CDU-Mann besonders ärgerte. Bei der Kommunalwahl im August 2009 verzählten sich die Wahlhelfer zugunsten der rechtsextremen Liste „Pro Köln“. Das stellte sich bei der Ergebniskontrolle heraus. Wenige Wochen später verschickte die Verwaltung an 8000 Wahlberechtigte die falschen Briefwahlunterlagen für die Bundestagswahl. Der CDU-Politiker Volker Meertz beklagt sich darüber schriftlich beim für das Wahlamt zuständigen Stadtdirektor – und schickte eine Kopie des Briefes an die OSZE, die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa. Die schickte ansonsten Wahlbeobachter in Länder wie Weißrussland.

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