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Berlin: Viel Krieg und wenig Frieden

Der Berliner Journalist Philipp Abresch hat im Irak Kameras an Kinder und Soldaten verteilt, damit sie die unterschiedlichsten Perspektiven in Fotos festhalten

Sie haben sich vor dem Panzer versammelt, hinter Stacheldraht und neben zwei amerikanischen Soldaten. Die irakischen Jungen lächeln ein bisschen schief und posieren für die Kamera des zehnjährigen Saif Ibrahim aus Bagdad. Saif Ibrahim und hundert weitere Kinder und Jugendliche aus der irakischen Hauptstadt im Alter zwischen zehn und 16 Jahren sind zu Fotografen der Nachkriegszeit geworden. Sie dokumentieren ihren Alltag nach Saddam und mit den amerikanischen Soldaten, sie zeigen Trümmer und Zerstörung. Aber sie zeigen auch, wie das normale Leben wieder einkehrt.

Den Blick von denen, die oft am schlimmsten von Krieg betroffen sind, in Fotos festhalten – das will Philipp Abresch. Der Journalist aus Friedrichshain organisiert Fotoprojekte mit Kindern und Jugendlichen, hauptsächlich in Krisenregionen. Im Irak hat er Einwegkameras an irakische Mädchen und Jungen und einige junge amerikanische Soldaten verteilt. „Sie sollten fotografieren, was ihnen wichtig ist und was sie anderen zeigen wollen,“ sagt der 28-Jährige. „Fotos ermöglichen die Verständigung über alle Sprachbarrieren hinweg.“

Die Idee, einen neuen, anderen Blickwinkel auf den Krieg zu ermöglichen, bekam er, als er selbst Soldat war. Als Reservist berichtete Abresch 1997 für den Rundfunksender der Bundeswehr vom Balkan und sah zum ersten Mal zerstörte Häuser und Minenfelder. Die Eindrücke ließen ihn nicht mehr los. Zwei Jahre später startete er im Kosovo sein erstes Fotoprojekt mit albanischen und serbischen Kindern. Die Ausstellung „Mit anderen Augen“ war im Kosovo, in Deutschland und auf der Foto-Biennale 2000 in Rotterdam zu sehen. Der Einfall fürs nächste Projekt kam dem jungen Journalisten auf einer Zugfahrt. Was passiert wohl an einem ganz bestimmten Tag an einem anderen Ort?

Gemeinsam mit der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit hat Abresch eine Momentaufnahme der Welt aus Kindersicht entstehen lassen: Am 30. April 2002 drückten 500 Kinder in 43 Ländern auf den Auslöser. Die schönsten Fotos sind inzwischen in der Wanderausstellung „Imagine“ zu sehen, in diesem Jahr in über 30 Ländern.

Seine Fotoprojekte versteht der Hörfunkjournalist als ein Verständigungs-Angebot, in Ländern, in denen alles unsicher ist und jeder Angst um sein Leben haben muss.

Auch er erlebte die Bedrohung hautnah. Am ersten Tag seines Irak-Aufenthaltes wird er überfallen. Vier Männer mit Maschinengewehren rauben ihm 4000 Dollar. Das ist besonders schmerzlich, weil das Geld für die Foto-Aktion aus eigener Tasche kommt. Schmerzlich auch, weil ihm klar wird, wie bedrohlich die Situation im Irak noch immer ist. Aufgeben kommt aber nicht in Frage.

Abresch verteilt mit jeder Kamera auch Fragebögen an die Jugendlichen und Soldaten. Die Antworten sollen helfen, die unterschiedlichen Blickwinkel zu erklären. Da fragt er beispielsweise: „ Glaubst du, dass du im Irak etwas verändern kannst?“ Ein US-Soldat antwortet: „Ja, wenn uns die Iraker lassen.“ Ein irakischer Jugendlicher glaubt auch an Veränderung und begründet: „Weil Saddam weg ist. Wir sind aber auch froh, wenn die USA bald weg sind.“

Möglichst schnell will Philipp Abresch diese verschiedenen Perspektiven auf den Alltag in Bagdad zusammentragen. Noch wartet er auf Post aus der irakischen Hauptstadt. Denn die US-Soldaten und irakischen Jugendlichen wählen selbst aus ihren Filmen die besten Bilder aus und erklären, was darauf zu sehen ist. Anschließend wird die Ausstellung zusammengestellt und im Irak und in Deutschland von Februar an gezeigt.

Darauf freut sich Philipp Abresch auch aus einem anderen Grund: Er kann wieder in den Hintergrund treten. Denn die Fotos sprechen für sich.

Fotos von der Ausstellung „Imagine“ sind unter www.gtz.de/imagine zu sehen, Fotos von der Ausstellung „Mit anderen Augen“ unter www.maikaeferflieg.de

Für den Bau einer Schule in Bagdad sammelt Philipp Abresch gemeinsam mit der Hilfsorganisation „Architects For People In Need“ Spenden (APN, Bank für Sozialwirtschaft, BLZ 70020500, Kto. 8862404, Stichwort: Kinder im Irak).

Anna Bilger

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