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Berlin: Viel Sonne, viel Müll

In vielen Berliner Parks türmt sich der Abfall. Und vielleicht gibt es hier bald niemanden mehr, der ihn wegräumt

Die Krähe ist schneller als der kleine Zottelhund. Sie hat mächtig zu schleppen an den Resten der Grillsteaks, die sie von der Wiese aufliest. Aber dann fliegt sie davon, der Hund blickt staunend hinterher und bleibt bei den dösenden Sonnenbadegästen zurück. Zwischen deren Handtüchern glitzern leere Plastikflaschen, als gäbe es kein Zwangspfand. Ausgeweidete Chipstüten wiegen sich im Wind, von den größeren Müllbergen entlang der Wege weht Gestank herüber. Manchmal türmt sich der Unrat direkt neben den halb leeren Abfallbehältern. Oder die Verpackungen von Grills und Getränkekartons sind derart groß, dass sie nicht in die reichlich vorhandenen Mülleimer passen. So sieht der Sommer aus im Viktoriapark. Oder im Görlitzer Park. Oder im Volkspark Friedrichshain.

Knapp 70 Leute schickt das Bezirksamt Friedrichshain-Kreuzberg täglich durch die Parks. Das sind genauso viele wie im vorigen Jahr. Aber in diesem Frühjahr kommen sie nicht mehr nach, sagt Umweltstadtrat Franz Schulz (Grüne). Am Görlitzer Park brauchen sie neuerdings gleich zwei Tage, um die Spuren des Wochenendes zu beseitigen. „Es wird immer schlimmer“, sagt Schulz. Dabei sei völlig egal, ob die Papierkörbe leer oder voll sind – viele Leute hinterließen ihren Dreck trotzdem auf der Wiese. Die Situation hat sich derart verschlimmert, dass Schulz sein Amt noch in dieser Woche zu einer Krisensitzung zusammenrufen will. Aber wirklich helfen würde wohl nur anhaltend schlechtes Wetter.

Im nächsten Jahr könnte es noch schlimmer kommen: Fast alle Müllsammler seien dank einer Arbeitsbeschaffungsmaßnahme in den Parks unterwegs, berichtet Schulz. 80 Prozent zahle der Bund, 20 das Land. Zum Jahresende sei der Landesanteil gestrichen worden; der Bund könne nicht einspringen, und das Arbeitsamt wisse keinen Rat. Nun ist der Stadtrat „wie verrückt am Rödeln, denn ohne diese Kräfte bräche alles zusammen“. Notfalls will Schulz mit dem Senat eine Umverteilung aushandeln, damit die Grünpflege möglichst billig von Privatfirmen erledigt werden kann. Aber spruchreif ist noch nichts.

Im Volkspark Friedrichshain, hinter der leblosen Hülle des Sport- und Erholungszentrums (SEZ), sind die Papierkörbe groß wie Affenkäfige – aber der Müll liegt trotzdem auf der Wiese verstreut, obwohl auch hier täglich die Putzkolonne durchzieht. Und die Laternen entlang der neuen Skaterbahn sind größtenteils angeschlagen, hängen auf halb acht oder fehlen ganz. Anwohner berichten von Lagerfeuern aus den Holzpfählen, die eigentlich die jungen Bäume stützen sollten. „Vandalismus ist überhaupt kein Ausdruck mehr für das, was da los ist“, sagt Schulz. „Da fehlen einem die Worte.“

Das Ambiente im Volkspark Wilmersdorf ist anders als in Friedrichshain oder Kreuzberg: Hier ersetzt der Walkman die mitgebrachte Buschtrommel, es gibt Eiskugeln statt – wie in der Neuköllner Hasenheide – Drogen am Wegesrand zu kaufen, die Hunde toben nur auf dem dafür vorgesehenen Platz, und selbst die prächtigen Pfingstrosen hat niemand abgerissen. Die Papierkörbe stehen in Dreiergruppen auf der Wiese. Das sieht zwar hässlich aus, scheint aber pädagogisch wertvoll zu sein – jedenfalls sehen die gut besuchten Wiesen recht sauber aus.

Baustadtrat Klaus-Dieter Gröhler (CDU) klagt folglich auf höherem Niveau als sein Friedrichshain-Kreuzberger Kollege. „Am Montag ist es immer eine Katastrophe. Und wir haben einen dauernden Verfall der Situation. Aber fragen Sie mich bitte nicht, woran das liegt“, sagt Gröhler. Wenn man ihn doch fragt, vermutet er, dass manchen Leuten die Parks ohnehin etwas vernachlässigt vorkämen, seit das Geld kaum noch für gründliche Pflege reiche. „Da hat man dann vielleicht das Gefühl, dass es nicht mehr so drauf ankommt“, sagt Gröhler. In seinem Amt kümmern sich festangestellte Mitarbeiter um die Parkpflege, so dass vorerst kein Desaster droht. Rund 150 000 Euro hat die Müllentsorgung den Bezirk im vergangenen Jahr gekostet. Dafür lag ein Großteil des Unrats immerhin in den Mülleimern. Für Krähen ist Wilmersdorf also keinen Ausflug wert.

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