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Berlin: Viele Fälle bleiben geheim, denn Berichterstattungen regen oft nur Trittbrettfahrer zur Nachahmung an

Zumindest unter seinen kriminellen Kollegen dürfte Arno Funke alias "Dagobert", der nun noch als mittelmäßiger Schriftsteller Furore macht, seine Führungsrolle noch eine Weile innehaben. Kaum ein Erpresser foppte die Polizei so oft - und so nachhaltig - wie er: Mal sicherte er sich das erpresste Geld mit einer selbstgebauten Lore, die vor den Augen der Polizei davonraste; mal schlich er sich durch die Kanalisation an, während die Beamten oberirdisch nach ihm suchten.

Zumindest unter seinen kriminellen Kollegen dürfte Arno Funke alias "Dagobert", der nun noch als mittelmäßiger Schriftsteller Furore macht, seine Führungsrolle noch eine Weile innehaben. Kaum ein Erpresser foppte die Polizei so oft - und so nachhaltig - wie er: Mal sicherte er sich das erpresste Geld mit einer selbstgebauten Lore, die vor den Augen der Polizei davonraste; mal schlich er sich durch die Kanalisation an, während die Beamten oberirdisch nach ihm suchten. Vielleicht, mutmaßt der Diplom-Psychologe Wolfgang Salewski, sei es "Dagobert" wie vielen anderen Erpressern sogar in erster Linie um den Ruhm gegangen.

"Vielen ist es wichtiger, berühmt zu werden, als viel Geld zu bekommen", konstatierte Salewski gestern auf dem Sicherheitskongress SiTech in Berlin. In Sachen Publicity-Sucht sei "Dagobert", der während seiner aktiven Phase jeden Tag akribisch die Zeitungen nach Meldungen über sein Gebaren durchforstete, kein Einzelfall: "Bei dem Erpresser eines Tabakherstellers haben wir einen Aktenordner mit Selbstporträts an möglichen Übrgabeorten gefunden", so Salewski, der für das Münchner Institut für Konfliktforschung und Krisenberatung das Täterprofil von Erpressern sowie mögliche Verhandlungstaktiken erforscht.

Angesichts der "Identitätskrisen" vieler Täter, so Salewski, sei es in der Verhandlung ungeheuer wichtig, sie ernst zu nehmen und nicht für blöd zu verkaufen. So wirke der auch in Krimis gern bemühte Satz "Nun seien Sie doch vernünftig" ebenso kontraproduktiv wie der Hinweis, der Erpresser habe sowieso keine Chance. "Damit treffen Sie die Versagensängste. Und dann kann es gefährlich werden."

Stattdessen bemühen sich die Verhandlungsführer der Polizei - wer jüngst den brillanten Film "Verhandlungssache" im Kino gesehen hat, weiß es - dem Erpresser zu vermitteln, dass er eine Chance habe. Das Wort "Nein" ist absolut Tabu. Und: Der Erpresser wird regelmäßig beschäftigt, um ihn in einem bestimmten Stressbereich zu halten. Irgendwann, meistens bei den Geldübergaben, macht er in der Regel einen Fehler.

"Erfolgreich" im Sinne der Täter sind Erpressungen fast nie. Dennoch werden sie immer häufiger: Zwischen 1993 und 1997 nahm die Zahl der Unternehmenserpressungen um mehr als ein Viertel zu. Immer beliebter wird die Vergiftung von Waren wie im Falle "Thomy". Und, so Salewski, die Täter werden immer skrupelloser: "Es gibt heute Fälle, in denen es keine Warnungen gibt."

Von vielen Erpressungen - vorausgesetzt, es besteht keine Gefahr - erfährt die Öffentlichkeit überhaupt nichts. Und das liegt nicht in erster Linie daran, dass die Täter das gefordert hätten. "Jede spektakuläre Erpressung regt Trittbrettfahrer an", so Salewski. Im Falle der Bahn-Erpressungen 1998 habe sich sogar einer gemeldet, der gefordert habe, über der Frankfurter Zeil 35 Milliarden Mark aus einem Hubschrauber abzuwerfen. Wenig später folgte der nächste Imitator. Salewski: "Ich würde mich wahnsinnig freuen, wenn möglichst wenig berichtet würde."

Jeanette Goddar

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