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Berlin: Viele Fragen – aber Horst Köhler weicht aus

Auch beim Besuch in Friedrichshain-Kreuzberg verfolgt den Bundespräsidenten das Thema Wahl

Wen mögen Sie lieber, Angela Merkel oder Gerhard Schröder? Kann eine Kopftuchfrau Bundeskanzler werden? Klopft Ihr Herz jetzt? Die Neugier der Kinder in der Kreuzberger Jens-Nydahl-Grundschule ist grenzenlos. Bundespräsident Horst Köhler, der gestern seinen Antrittsbesuch im Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg machte, findet das richtig gut. „Ich mag beide“, sagt er lächelnd auf die erste Frage. Und dass er das mit der Kopftuchfrau für erstmal nicht so wahrscheinlich hält. Und ja, er habe gewählt, verrate aber nicht was. Die meisten Kinder sind türkischer Herkunft, sprechen aber mühelos Deutsch. Sie konnten nicht wissen, dass der Bundespräsident bei der ersten Station des Besuchs am Morgen in der Oberbaum City bereits deutlich gemacht hatte, dass er sich zum Thema Wahlen und Regierungsbildung nicht äußern wolle: „Ich glaube, dass eine Lösung möglich ist“, sagte er. Aber nun seien die Parteien am Zuge. „Wir sollten sie erstmal in Ruhe lassen und ihnen Zeit geben, das alles aufzuarbeiten.“

Dann widmete er sich mehr den Aspekten, die das Land konkret voran- bringen. 500 neue Arbeitsplätze sollen bis 2007 allein im BASF Servicecenter entstehen. Man habe den Standort auch gewählt, weil es in diesem Umfeld hoch qualifizierte Menschen gebe, die alle europäischen Sprachen beherrschen, sagt Personalchef Hans-Carsten Hansen. Bezirksbürgermeisterin Cornelia Reinauer betont, dass man sich mit den Investoren zusammensetze, um Arbeitssuchende entsprechend qualifizieren zu können. „Dies sollte ein Vorbild für viele Nachahmer sein“, schreibt der Bundespräsident ins Gästebuch und lobt den Optimismus und Tatendrang der jungen Mitarbeiter.

Zum Anspruch von Gerhard Schröder, die Regierung zu bilden, will er ebenfalls keinen Kommentar abgeben. Aber natürlich sucht alles nach versteckten Zeichen. Im RAW-tempel e.V., einem wunderbar vielseitigen Kulturprojekt mit reichlich Existenzgründerpotenzial, wird Köhler von einem Stelzenläufer mit Zylinderhut und einer Trommelgruppe begrüßt. Das sei jetzt eben afrikanische Musik gewesen, sagt der Bandleader, worauf der Bundespräsident fragt: „Können Sie auch Reggae?“ Aber nun lässt man ihn endlich in Ruhe, niemand fragt laut, ob das nicht die Musik Jamaikas sei, jenes Landes mit der schwarzgelbgrünen Flagge. Stattdessen führen ihm die ehrenamtlichen Mitarbeiter Instrumente vor, die auf dem Gelände des ehemaligen Reichsbahnausbesserungswerks entwickelt wurden: ein Elastophon zum Beispiel und eine Klangliege zur Entspannung. Da zieht sich Köhler das Jackett aus und probiert den vibrierenden Hohlkörper gleich am eigenen Leibe aus. Was er hier erlebt, findet er sehr ermutigend, denn „es ist neu, ungewöhnlich, kreativ und selbstständig“. Er brauchte gar nicht so zu betonen, dass ihm das gefällt, man sieht es. Diesen positiven Begriff hebt er an diesem Tag immer wieder hervor, vielleicht eine Botschaft, die über Bezirksgrenzen hinauswehen soll.

Sehr ungewöhnlich für einen präsidialen Besuch ist das Mittagessen, zubereitet vom Sozialverein Friedrichshain. Horst Köhler nimmt es bei SIEFOS zu sich, einer Einrichtung für die Ärmsten der Obdachlosen, für jene, die krank und pflegebedürftig sind. Es gibt Gulasch mit Rotkohl und Kartoffeln, und hier freut sich der Bundespräsident über alle Fragen, die ihm die Bewohner stellen. Sie zeigen ihm, dass diese Menschen auch in den Tiefen des Lebens offen sind. Und das scheint ihm tatsächlich wichtiger zu sein, als die Aufgeregtheiten des politischen Tagesgeschäfts.

Den Schülern hat er zum Abschied gesagt: „Mein Herz klopft, aber aus Freude, weil ihr neugierig seid und offen.“

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