zum Hauptinhalt

Berlin: Viele Misstöne im großen Streichkonzert

Alle städtischen Kindertagesstätten sollen in den kommenden Jahren an private Träger übergeben werden. Dies stand gestern nach der fünften Runde der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP fest.

Von

Alle städtischen Kindertagesstätten sollen in den kommenden Jahren an private Träger übergeben werden. Dies stand gestern nach der fünften Runde der Koalitionsverhandlungen zwischen SPD, Grünen und FDP fest. Außerdem soll es Modellversuche für Hochbegabte geben, mehr Eigenverantwortung für die Schulen und Sprachtests bereits für alle Vierjährigen. Das 100-Millionen-Programm für die Schul- und Sportstättensanierung wird weitergeführt und möglicherweise auf die Kindertagesstätten ausgeweitet. Ein "großes D für Dissens", so FDP-Landeschef Günter Rexrodt, stand aber auch am Abend noch hinter so wichtigen Fragen wie Religionsunterricht, Zentralabitur und Kapazitätsausbau bei fünften Gymnasialklassen.

Aber auch in vielen anderen Punkten geht das Rätselraten beziehungsweise Verhandeln weiter. Etwa bei den Bäderschließungen: "Die Anzahl der Schließungen wird im Rahmen der Finanzplanung konkretisiert", lautete die vage Ankündigung von SPD-Parteichef Peter Strieder, der die Verhandlungen führte. Ebenfalls keinen Konsens gibt es bei der Herabsetzung des Wahlalters auf 16 Jahre für die Bezirksverordnetenversammlungen. Dem Vernehmen nach hat sich die FDP dagegen ausgesprochen.

Die gute Nachricht des Tages brachte Sibyll Klotz, Fraktionschefin der Bündnisgrünen, auf den Punkt: "Bildung bleibt Priorität." Das Wahlversprechen werde eingehalten. Dies bedeutet, dass 820 Stellen für pädagogische Verbesserungen wie Fremdsprachen ab dritter Klasse, Integration und verlässliche Halbtagsgrundschulen geschaffen werden. Die Zahl der Ganztagsgrundschulen werden von sechs auf rund 20 angehoben. Die Bündnisgrünen betonten zudem, dass in den kommenden fünf Jahren rund 4000 junge Lehrer als Ersatz für pensionierte Kollegen eingestellt werden können. Lediglich 1400 Stellen werden infolge des Schülerrückgangs gestrichen.

FDP-Chef Rexrodt sprach von einem "guten Tag für die Berliner Schulen". Er verwies auf das Überspringen der 11. Klasse für Höherbegabte und einen größeren Praxisbezug an den Hauptschulen. Die FDP beharrt nicht mehr auf ihrer Forderung nach der vierjährigen Grundschule, fordert aber dafür einen Kompromiss. "Wir geben darin nicht nach, eine ausreichende Zahl von fünften Gymnasial-Klassen anzubieten", betonte Rexrodt. Laut FDP-Chef werden jährlich bisher rund 2400 Schüler aufgenommen. Die Zahl der Anmeldungen liege bei 3600.

Viel Wirbel dürfte es noch um die Übertragung der städtischen Kitas geben. Strieder betonte zwar, es gehe nicht darum, "die öffentlich Beschäftigten loszuwerden". Es sei möglich, dass die 12 000 Erzieherinnen im öffentlichen Dienst bleiben und an die freien Träger "ausgeliehen" werden, "ohne dass ihre Rechte tangiert werden". Das Prozedere ist aber ebenso unklar wie die Frage, wie die Kitas in einen baulichen Zustand versetzt werden können, der für freie Träger akzeptabel ist. In diesem Zusammenhang sagte Strieder, dass die Kitas vielleicht in das 100-Millionen-Programm des Senats mit aufgenommen werden. Bisher ist nur ein Drittel der Kitas in privater Hand.

Auch die Grünen stehen hinter der Übergabe der Kitas. Sibyll Klotz begrüßt die Aussicht auf eine bunte Trägervielfalt. Allerdings betonte sie, dass es erstmal mehr um die "politische Richtung" gehe als darum, einen festen Zeitplan festzulegen.

Um die sprachliche Integration voranzubringen, sollen die Deutschkurse für Mütter ausgebaut werden. Bisher gibt es das Angebot an 30 Grundschulen. Künftig will man 30 weitere Grundschulen hinzunehmen und noch 30 Kindertagesstätten. Geklärt wurde auch, dass die Gesellschaft "Computer in die Schulen" (CidS) weiter Lottomittel erhält.

Heute wollen sich die Koalitionspartner mit den Bereichen Arbeit, Soziales, Gesundheit und Frauen befassen. Wider Erwarten zeichnet sich ein breiter Konsens zwischen SPD, FDP und den Grünen bei der Kürzung der Sozialausgaben auf 20 Prozent ab. Ein Teil dieser Einsparungen will die Ampel durch Mehrbeschäftigung von Sozialhilfeempfängern erzielen. Von 270 000 Hilfeempfängern gelten 70 000 bis 90 000 als erwerbsfähig. Die Koalition will in fünf Jahren zusätzlich 30 000 Beschäftigungsverhältnisse schaffen.

SPD-Chef Strieder will am Freitag die Verhandlungen abschließen. Rexrodt erwartet dies nicht vor Sonntag. Für die Grünen ist das "Ausdiskutieren aller Dissense" wichtig, damit die Ampel "funktionieren kann".

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false