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Berlin: Viele sind konservativ, können sich aber nicht für die Christdemokraten entscheiden - Junge wählen eher Grün

Um die "Integration der 4. Generation" sollte es am Mittwochabend im Haus der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiergarten eigentlich gehen.

Um die "Integration der 4. Generation" sollte es am Mittwochabend im Haus der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung in Tiergarten eigentlich gehen. Doch die Podiumsdebatte, bei der auch die ausländerpolitischen Konzepte des CDU-Bundestagsabgeordenten Jürgen Rüttgers diskutiert werden sollten, fiel aus. "Terminschwierigkeiten", hieß es offiziell. Das Thema sei derzeit zu heiß, die Veranstaltung von der CDU-Spitze "abgesagt" worden, sagt hingegen die Ausländerbeauftragte von Schöneberg, Emine Demirbüken, die an dem Abend hätte moderieren sollen. Das Ganze sei nun "nach hinten losgegangen". Viele Türken fühlten sich der CDU nahe, fügt Demirbüken an, "aber die Berliner Partei macht es ihnen schwer".

Schätzungsweise 27 000 eingebürgerte Türken können in Berlin am morgigen Sonntag wählen gehen. Emine Demirbüken, selbst CDU-Mitglied, sieht hier für die eigene Partei ein erhebliches Wähler-Potential. Viele Berliner Türken seien "wertkonservativ", befürworteten bei der Bildungs-, Außen- und Sicherheitspolitik die Konzepte der Christdemokraten. Nicht umsonst gründete sich 1996 die CDU-nahe Deutsch-Türkische Union, Sympathien für die Partei gibt es offenbar auch bei türkischen Geschäftsleuten. Das Problem sei, "dass die CDU die Öffnung für dieses Potenzial verbal forciert, aber nicht in Taten umsetzt", sagt Emine Demirbüken.

Wie wählt die Mehrheit der Türken mit deutschem Pass? Meinungsforschern zufolge hatte die SPD bei ihnen - zumindest vor den letzten Bundestagswahlen - die Nase vorn. Nach einer bundesweiten Umfrage, die das Münchener Nachrichtenmagazin "Focus" vor der Bundestagswahl im vergangenen Oktober in Auftrag gab, wollten 34,8 Prozent der Befragten SPD wählen, 3,8 Prozent CDU oder CSU und 8,3 Prozent Bündnis90/Grüne. 34 Prozent der Befragten war jedoch noch unentschieden. Dieselbe Studie kommt im Übrigen auch zu dem Schluss, dass jüngere und besser ausgebildete Türkischstämmige tendenziell eher Bündnis90 / Die Grünen wählen.

Bei der Sonntagsfrage ("Welche Partei würden sie wählen, wenn am Sonntag Wahl wäre") des Meinungsforschungsinstituts Infratest Dimap unter Türken im Januar dieses Jahres erzielte die SPD mit 48 Prozent einen noch höheren Wert als bei "Focus". Vier Prozent bevorzugten in dieser Umfrage CDU/CSU, sechs Prozent Bündnis90 / Die Grünen, jeweils ein Prozent FDP oder PDS, drei Prozent kannten keine deutschen Parteien, 27 Prozent waren unentschieden.

Die Frage ist, inwieweit sich die beiden Erhebungen auf das aktuelle politische Klima in Berlin übertragen lassen. Beide Umfragen müssen in jedem Fall im Zusammenhang mit der Debatte über die doppelte Staatsbürgerschaft und der dagegen gerichteten CDU-Kampagne im vergangenen Jahr gesehen werden. Nach der Kompromissentscheidung der neuen Regierung, die viele Türken als völlig unzureichend empfunden hätten, herrsche nun "Enttäuschung" auch über die rot-grüne Koalition, sagt Kenan Kolat vom Türkischen Bund. Sie werde sich auch bei der Berliner Wahl bemerkbar machen.

Bei der Wahl spiele aber auch die Türkei- und die Sozialpolitik der Bundesregierung eine Rolle. Zumindest die Erhöhung des Kindergeldes rechneten die Türken der SPD an. Kandidaten mit türkischer Herkunft würden allerdings in jedem Fall bevorzugt, da sei auch ein konservativer Türke bereit, für Bündnis 90 / Die Grünen zu stimmen, schätzt Kenan Kolat.

Die Parteien sind dabei, das türkische Wähler-Potenzial für sich zu entdecken: Immerhin kandidieren vier türkischstämmige Politiker für Bündnis90 / Die Grünen, SPD und PDS direkt für das Abgeordentenhaus, etliche stehen auf den Bezirkslisten, allein sechs haben Chancen auf einen Sitz in der Bezirksverordnetenversammlung von Kreuzberg - dem Bezirk mit den meisten Türken der Stadt.

Tobias Arbinger

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