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Berlin: „Vielleicht kandidiere ich gar nicht mehr“

Ditmar Staffelt fühlt sich von der Berliner SPD im Stich gelassen. Landeschef Müller ist im Urlaub und schweigt

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Ditmar Staffelt gibt sich keinen Illusionen hin. Er sitzt im Café Merhaba in der Wissmannstraße vor einem Frühstück mit Schafskäse und Knoblauchwurst. Mitten im Bundestags-Wahlkreis Neukölln, den er am 18. September als SPD-Direktkandidat gegen den CDU-Mann und ehemaligen Regierenden Bürgermeister Eberhard Diepgen gewinnen will.

Aber das ist kaum zu packen. Das weiß Staffelt auch, er kennt die Umfragen. Und jetzt kommt hinzu, dass ihn die eigenen Genossen fallen lassen. Die aussichtsreichen Plätze auf der Landesliste der Berliner SPD sollen anderwärtig vergeben werden. „Es täte mir weh“, sagt Staffelt, „auf diese Weise aus der Politik gedrängt zu werden“. Seit 1998 sitzt er im Bundestag, war wirtschaftspolitischer Sprecher der SPD-Fraktion, wurde 2002 parlamentarischer Staatssekretär im Bundeswirtschaftsministerium und Koordinator für die deutsche Luft- und Raumfahrt.

„Ich bin doch der einzige Berliner Sozialdemokrat in der Bundesregierung“, sagt Staffelt trotzig. Er kann es nicht fassen, dass linke Parteifreunde ihm jetzt vorwerfen, „wirtschaftsfreundlich“ zu sein. Was soll er denn sonst sein? „Das ist doch absurd.“ Auch vom SPD-Landeschef Michael Müller fühlt er sich im Stich gelassen. Der hatte, bevor er in den Urlaub auf Kreta flog, einen Vorschlag zur Güte gemacht: Um eine Kampfkandidatur zwischen dem SPD-Generalsekretär Klaus Uwe Benneter und Staffelt um Platz 3 auf der Wahlliste zu vermeiden, sollte Staffelt auf Platz 5 ausweichen.

Doch am vergangenen Montag kassierte der SPD-Landesvorstand den Vorschlag Müllers mit 13 gegen 9 Stimmen. Für Platz 5, den auch der junge und linke Bundestagsabgeordnete Swen Schulz aus Spandau beansprucht, wurde ausdrücklich keine Empfehlung ausgesprochen. Stattdessen kursiert nun im Landesverband eine inoffizielle Liste, ausgehandelt von der starken SPD-Linken, die Schulz auf Platz 5 und einen Vertreter des rechten Parteiflügels auf Platz 6 gesetzt. Der heißt aber nicht Staffelt, sondern Detlef Dzembritzki. Der 62-jährige Ex-Bezirksbürgermeister aus Reinickendorf will eine Ehrenrunde im Bundestag drehen.

Die SPD-Rechten im „Britzer Kreis“, dem auch der ehemalige Kuschel-Linke Staffelt angehört, sind ratlos. Karlheinz Nolte, SPD-Kreischef in Treptow-Köpenick, wirft den linken Genossen vor, Staffelt „über die Klinge springen zu lassen“. Der Neuköllner Kreischef Fritz Felgentreu verspricht: „Wir arbeiten an einer Mehrheit für den Kandidaten.“ Aber er weiß nicht, ob es gelingt. Der SPD-Landeschef Müller schweigt. Er will sich erst am Sonntag auf dem Parteitag äußern, wenn die Kandidaten nominiert werden. Auch der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit mischt sich nicht ein.

Der alte Haudegen Staffelt ist frustriert. Soll er um Platz 5 gegen Schulz und notfalls um Platz 6 gegen Dzembritzki antreten? „Vielleicht kandidiere ich gar nicht mehr.“ Seine Frau, Grietje Bettin, hat es einfacher. Die Grünen-Bundestagsabgeordnete wurde von ihrer Partei in Schleswig-Holstein schon am 25. Juni zur Spitzenkandidatin gekürt.

Ditmar Staffelt wird

am 1. August 1949

in Berlin geboren und wächst in Neukölln auf.

Er studiert Geschichte, Geografie und Politikwissenschaft an der

Freien Universität.

Willy Brandts Ostpolitik bewegt ihn 1969 zum Eintritt in die SPD.

In der freien Wirtschaft ist er über 20 Jahre als leitender Angestellter, Vorstandsmitglied und Geschäftsführer tätig.

Mitglied des Berliner Abgeordnetenhauses wird er 1979, er bleibt es 19 Jahre.

Als Landesvorsitzender führt er die Berliner SPD von 1992 bis 1994.

Als Direktkandidat in Neukölln zieht er 1998 mit 48 Prozent

der Erststimmen

in den Bundestag ein.

Als Parlamentarischer Staatssekretär im

Bundesministerium für Wirtschaft wird er 2002

auch Koordinator für

Luft- und Raumfahrt.

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