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Familienmensch. Annegret R. hat mit ihrer erneuten Schwangerschaft eine bundesweite Diskussion ausgelöst. Hier ist die heute 65-Jährige auf einem Archivbild aus dem Jahr 2005 zu sehen – mit ihrem 13. Kind, das damals fünf Monate alt war.

©  David Heerde

Vierlinge mit 65: Ärzte fürchten um Gesundheit von Annegret R.

Ärzte und Psychologen sehen die vierfache Schwangerschaft einer 65-jährigen Berlinerin mit großer Sorge. Sie fürchten um die Gesundheit der Frau und ihrer Kinder – und erklären, wieso der Fall viele fasziniert.

Von Sandra Dassler

Die Reaktionen auf die Nachricht, dass die 65-jährige Berlinerin Annegret R. nach künstlicher Befruchtung Vierlinge austrägt, sind ziemlich eindeutig. Die meisten Tagesspiegel-Leser äußern sich im Internet kritisch, auch viele Ärzte sind skeptisch und besorgt. „Die Wahrscheinlichkeit, dass die Kinder gesund sein werden, ist nicht hoch“, sagt eine Spezialistin für Pränatalmedizin: „Wenn die Frau jetzt in der 21. Woche ist, steht noch eine sehr kritische Zeit bevor. Die Kinder werden mit Sicherheit nicht bis zum Ende der Schwangerschaft ausgetragen – für mich leidet die Frau an pathologischem Egoismus.“

Annegret R. hat einen Exklusivvertrag mit RTL. Der Sender strahlte am Montagabend die erste von mehreren Sendungen aus. Darin begründet sie ihre späte Schwangerschaft damit, dass sich ihre jüngste Tochter Lelia (9) ein weiteres Geschwisterkind gewünscht habe. Auf kritische Rückmeldungen angesprochen, sagt R.: „Ich rede anderen Leuten nicht in ihr Leben rein, und ich erwarte, dass meins genauso akzeptiert wird.“

„RTL hat damit gewonnen“

Für die künstliche Befruchtung sei sie in die Ukraine gereist. Sobald die Vierlinge zur Welt gekommen sind, wolle sie mit ihnen und der neunjährigen Tochter aus Berlin nach Nordrhein-Westfalen ziehen, weil dort einige ihrer älteren Kinder lebten. Wie berichtet hat R. bereits 13 Kinder, die meisten wurden noch in der DDR geboren, sind also zwischen 25 und 44 Jahre alt.

„RTL hat damit gewonnen“, sagt die Psychologin und Psychiaterin Isabella Heuser. Sie leitet die Klinik für Psychiatrie und Psychotherapie der Charité am Campus Benjamin Franklin: „Solche Sensationsgeschichten kommen gut an, weil viele Menschen große Gefühle im eigenen Leben nicht finden und sich deshalb an den Dramen anderer ergötzen. Auch ist Empörung eine angenehme Emotion, wenn damit keine persönliche Konsequenz verbunden ist.“

13 Kinder hat Annegret R. schon

Verloren hätten in diesem Fall die vier Kinder, sagt Isabella Heuser, falls sie überhaupt gesund zur Welt kommen. Sie würden aufgrund der Eizell- und Samenspende im Ausland wohl nie erfahren, wer ihre genetischen Eltern seien, und sie würden wahrscheinlich nicht allzu lange eine Mutter haben. „Diese Frau muss sehr geltungssüchtig und egoistisch sein“ schätzt die Psychologin ein: „Ich frage mich aber auch, in was für Beziehungen sie lebt und warum beispielsweise ihre erwachsenen Kinder nicht eingeschritten sind.“ Wie berichtet hat Annegret R. bereits 13 Kinder, die meisten wurden noch in der DDR geboren, sind also zwischen 25 und 44 Jahre alt.

Aysen Bilgicyildirim vom Kinderwunschzentrum Darmstadt kann die Ärzte, die Annegret R. zu der Vierlingsschwangerschaft verhalfen, nicht verstehen. „Es ist unverantwortlich, einer Frau in diesem Alter drei oder vier Embryonen einzusetzen und damit eine Mehrlingsschwangerschaft mit höchstem Risiko vor allem für die Kinder in Kauf zu nehmen. Ich habe große Sorge, dass diese Schwangerschaft in der 23. oder 24. Woche in einer Katastrophe endet.“

Ein Arzt muss nicht alles machen

In Deutschland sind Eizellspenden verboten, dass heißt, Reproduktionsmediziner in Kinderwunschzentren verwenden die Eizellen der Mütter. Viele von ihnen haben Verständnis, wenn junge Frauen, die keine Eizellen produzieren können, aber ein Kind haben möchten, auf fremde Spender zurückgreifen. „Aber wenn eine Frau 65 Jahre alt ist und schon dreizehn Kinder und sogar Enkel hat“, sagt Bilgicyildirim, „dann ist es verantwortungslos. Als Arzt muss ich nicht alles machen, was die Patienten wünschen. Jedenfalls nicht, wenn ich es ethisch nicht verantworten kann.“

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