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Berlin: Vierzig Jahre Familienkrieg

30-Jähriger steht vor Gericht, weil er Blutrache genommen haben soll Sein Bruder hat ihn angezeigt, um die Fehde zwischen den Clans zu beenden

Es begann mit einem Birnbaum. Der stand in einem Dorf, zwei Autostunden von Ankara entfernt. Das Bäumchen wurde beschädigt. Das ganze Dorf lief damals zusammen, eine Gruppe Jugendlicher wurde der Missetat verdächtigt. Der Tumult endete schließlich mit dem Tod eines jungen Mannes, der angeblich schlichten wollte. Das war im Jahr 1963. Seitdem aber bekriegten sich zwei weit verzweigte Clans, erst in der Türkei, dann in Berlin. Viel Blut floss in den vier Jahrzehnten. Um einen Mord vor mehr als elf Jahren geht es seit gestern vor dem Landgericht.

Der Angeklagte Mesut A. sei schuldig, sagt vor dem Gerichtssaal ein Mann mit einer Schiebermütze auf dem Kopf. Der inzwischen 30-Jährige habe sich in eine Blutfehde eingemischt, mit der er eigentlich nichts zu tun hatte. „Er wollte sich schon immer stellen, er hatte aber Angst und nie den Mut“, erklärt der Mann mit der Mütze. Dann stellt er sich vor: Mevlut A., der Bruder des Angeklagten. Er hatte seinen Bruder vor einem Jahr bei der deutschen Polizei angezeigt. „Die Sache muss endlich ein Ende haben“, sagt der ältere Bruder.

Mesut A. hatte sich laut Anklage am 11. März 1995 mit einem Mann getroffen, den er aus seinem Heimatdorf kannte. Satilmis D. saß am Steuer, als die Männer durch Kreuzberg fuhren. Auf Höhe Forster Straße soll Mesut A. plötzlich eine Waffe gezogen haben. Vier Kugeln trafen das 26-jährige Opfer. Der Schütze saß hinter ihm auf der Rückbank.

Der Birnbaum war der Anlass, Neid und Missgunst aber sollen Hintergrund des erbitterten Clan-Kriegs sein. Das erste Opfer gehörte einer wohlhabenden Familie an. 14 Jahre später wurde ein weiteres Mitglied dieses Clans getötet. Im Jahr 1989 kam es in Berlin zu tödlichen Schüssen auf einen Mann, der zur gegnerischen Seite zählte. Irgendwie aber scheinen alle Beteiligten miteinander verwandt zu sein. Für den Angeklagten sollen die Ermittler festgestellt haben, dass „seine Mutter die Tochter der Tante der Mutter des Opfers“ ist.

Der Bruder des Angeklagten sagt am Rande des Prozesses, dass der „eigentliche Mörder“ in dem türkischen Dorf sitze. Es handele sich um einen einflussreichen Mann, der Mesut A. zu der Tat angestiftet habe. Der Angeklagte hatte in die Familie eingeheiratet. „Die Frau diente als Lockvogel für einen dummen Mörder“, sagt Mevlut A. Bis heute komme es in jener türkischen Region zu Lynchjustiz. Mevlut A. und ein Bruder des Getöteten geben sich vor dem Gerichtssaal die Hand, sie wollen Frieden. Der Prozess wird unter Ausschluss der Öffentlichkeit fortgesetzt, weil Musut A. zur Tatzeit erst 19 Jahre alt war.

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