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Berlin: Viktoriapark: Streicheltiere als Festtagsbraten

Eine bisher in der Geschichte der Berliner Kleintiergehege einmalige Amtsanweisung verursacht Aufregung. Man solle, hieß es aus dem Natur- und Grünflächenamt im Dezember, einige Tiere aus dem Gehege im Viktoriapark an der Kreuzbergstraße nehmen und nach Belieben mit ihnen verfahren.

Eine bisher in der Geschichte der Berliner Kleintiergehege einmalige Amtsanweisung verursacht Aufregung. Man solle, hieß es aus dem Natur- und Grünflächenamt im Dezember, einige Tiere aus dem Gehege im Viktoriapark an der Kreuzbergstraße nehmen und nach Belieben mit ihnen verfahren. Einer von zwei Tierpflegern erfüllte gern die kurz vor Weihnachten erfolgte Weisung: Er nahm zwei Gänse und vier Enten und verteilte sie an Bezirksamtsmitarbeiter - als Weihnachtsbraten. Sieben Hühner waren schon vorher auf ähnliche Art verschwunden. "Das ist so passiert", gibt Baustadtrat Franz Schulz (Bündnis 90/Grüne) zu, "es hat ein Schlachtefest gegeben."

In dem Gehege leben seit 1953 insgesamt rund 70 Tiere: Ziegen, Gänse, Fasane, Perlhühner, Tauben, Meerschweinchen, Sittiche, Papageien, Zebrafinken und ein Waschbär. Der Tierpflegerin Karin Walbruch ist der Schock wegen des Verlusts der Tiere noch anzumerken. "Ich darf nichts sagen", gibt sie zwar hastig zu Protokoll, "Anweisung von ganz oben". Aber dass das Kleintiergehege immer mal wieder ohne Futter da steht, weil zu knapp gerechnet werde, rutscht ihr dann doch heraus. Schulz widerspricht: Die Futtermittel seien nicht zu knapp. Zwar habe man in diesem Jahr mit 3000 Mark jährlich 2000 Mark weniger als im Vorjahr zur Verfügung. "Aber mit Hilfe von Obst- und Gemüsespenden aus dem Supermarkt und von Privatleuten kriegen wir das hin." Aus Gründen der artgerechten Tierhaltung müsse jedoch der Bestand konstant gehalten werden. "Wir haben mit knapp 200 Quadratmetern Gehege außerordentlich beengte Verhältnisse", sagt Schulz, "da steht Tierliebe gegen Artenschutz." Immer wieder müssten Tiere an Kinderbauernhöfe und, seltener, an private Züchter abgegeben werden. Doch die Kinderbauernhöfe, etwa in Wedding oder in Kreuzberg, haben auch immer weniger Geld und kommen mehr schlecht als recht mit den schon vorhandenen Tieren über die Runden. Andere Kleintiere aus dem Gehege im Viktoriapark erhält der Zoo als Lebendfutter, zum Beispiel für Schlangen.

Warum nun Tiere an Bezirksamtsmitarbeiter verschenkt wurden - "eine einmalige Sache" -, kann Schulz nicht erklären. Das Natur- und Grünflächenamt habe schon seit einigen Jahren die Anweisung, den Bestand konstant zu halten. Durch natürliche Fortpflanzung und ausgesetzte Haustiere sei das jedoch schwierig, meint Schulz vage. Die Spaziergänger im Viktoriapark nehmen es gelassen: "Irgendwie müssen die die Anzahl der Tiere eben verringern", meint eine Mutter, deren Kleinkind durch den Zaun mit den verbliebenen drei weißen Gänsen plappert.

Auch der Stadtrat macht keinen großen Unterschied zwischen Schlangenfraß und Weihnachtsbraten. Spekulationen um Schließung des Kleintiergeheges am Kreuzberg träfen nicht zu - im Gegenteil: Möglicherweise könne sogar, trotz des denkmalgeschützten Status des Viktoriaparks, mehr Platz für die Tiere geschaffen werden. Vorher ist allerdings noch ein anderes Problem zu lösen: Walbruchs Tierpfleger-Kollege geht Ende Januar in den Ruhestand. Womit der neue Mitarbeiter bezahlt werden soll, ist offen. Sicher ist bislang nur eins: Die Vorgänge im Viktoriapark sollen sich nicht wiederholen. Schulz: "Ein weiteres Schlachtefest mit Meerschweinchen, Karnickeln oder Ziegen ist nicht geplant."

kört

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