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Guten Mutes. IBA-Chef Rolf Kuhn hofft, dass auch bisher nicht verwirklichte Projekte noch realisiert werden, etwa der Steg über den Sedlitzer See sowie ein Lagunendorf. Foto: dpa/ZB

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Berlin: Visionen, die bleiben

Zum Abschluss der Bau-Ausstellung feierten noch einmal Tausende. Wie es jetzt in der Lausitz weitergeht

Senftenberg - Sambarhythmen verfehlen selbst bei neun Grad Celsius ihre Wirkung nicht. Den Beweis lieferten am späten Samstagabend mehr als 3 000 Menschen, als sie sich nach zweistündiger Wartezeit rund um eine zur Hälfte geflutete Tagebaugrube bei Senftenberg endlich ausgelassen bewegen konnten.

Ein Lichtermeer aus unzähligen Taschen- und Fahrradlampen erleuchtete den zwölf Kilometer langen Radweg und zauberte zusammen mit der lateinamerikanischen Musik mehrerer Fanfarenzüge eine besondere nächtliche Stimmung. „Auf zu neuen Ufern“, hatte der Schweizer Künstler Jürg Montalta sein Experiment genannt, mit der ein in der Lausitz bisher allgegenwärtiger Name verabschiedet wurde. Die Internationale Bau-Ausstellung (IBA), die in den vergangenen zehn Jahren den Wandel von hässlichen Tagebaulöchern in eine attraktive Seenlandschaft mit vielen Ideen und Projekten begleitete, beendet ihr Wirken und übergibt den Staffelstab an die IBA in Basel.

„Wenn das Lausitzer Seenland weit über die Region hinaus strahlen soll, müssen wir Lausitzer selbst leuchten“, hatte der IBA-Chef, Rolf Kuhn, die Einwohner zu der Taschenlampenaktion aufgerufen. Der Erfolg gab ihm recht. Denn die anfängliche Skepsis der Bewohner über eine mögliche touristische Ausstrahlung der Lausitz hat sich längst gelegt. „Ich selbst war mir vor zehn Jahren nicht sicher, ob überhaupt jemand die ollen Gruben sehen will“, bekannte Rolf Kuhn. „Heute gibt es einen regelrechten Bergbautourismus, der in Welzow sogar den noch aktiven Tagebau vorstellt.“

Tatsächlich können sich die Besucherzahlen sehen lassen. Die IBA-Terrassen in Großräschen, zu deren Füßen in den kommenden sechs Jahren der sechs Kilometer lange und 70 Meter tiefe Ilse-See entsteht, zählen mit ihren Ausstellungen jährlich 80 000 Besucher. Davon beteiligen sich an den Exkursionen zu den noch nicht gefluteten Stellen der Grube unter dem Titel „Reise zum Mars“ rund 9 000 Neugierige. Immerhin 70 000 Besucher besteigen pro Jahr den „Liegenden Eiffelturm“, wie die ausrangierte Förderbrücke „F 60“ in Lichterfeld bei Finsterwalde umschrieben wird. Das Erlebniskraftwerk Plessa von 1927 lockt jährlich 31 000 Gäste an, den Bio-Türmen in Lauchhammer als letzte Relikte der großen Kokerei stiegen seit der Eröffnung Mitte 2008 mehr als 9 000 Besucher aufs Dach. Auch schwimmende Häuser, die Slawenburg Raddusch am Rande des Spreewaldes oder der als „rostiger Nagel“ bekannt gewordene Aussichtsturm bei Sedlitz gehören zur Erfolgsbilanz der IBA, die seit dem Jahre 2000 rund 46 Millionen Euro Steuer- und EU-Gelder ausgegeben hat.

Auf einem Festakt vor der Taschenlampenaktion stellte Karl Ganser, früherer Geschäftsführer der IBA Emscher Park im Ruhrgebiet, die etwas provokant formulierte Frage nach dem Nutzen der Bauausstellung in der Lausitz. Für ihn liegt sie eindeutig in der Erinnerung an die Industriezeit. „Diese fast vergessene und heute unter ökologischen Gesichtspunkten oft schlechtgemachte Epoche darf einfach nicht vergessen werden“, forderte Ganser.

Das Erbe der IBA geht nun in die Hände privater und kommunaler Nachfolger. Großräschen übernimmt die IBA-Terrassen, die touristischen Touren zu Fuß, per Rad, Jeep oder Bus organisiert künftig ein Touristiker. Bei anderen Projekten engagieren sich Stiftungen und Gemeinden. Rolf Kuhn hofft, dass auch irgendwann die bisher nicht verwirklichten Visionen realisiert werden. Zu ihnen gehören ein Steg über den Sedlitzer See, ein Kompetenzzentrum für die schwimmende Architektur, ein Lagunendorf bei Sedlitz, ein Besucher- und Informationszentrum „Wasserreich Spree“ oder das Landschaftskunstwerk „Hand“ in Altdöbern. Angesichts der guten Sambastimmung in kalter Nacht dürfte ihm nicht bange sein. Claus-Dieter Steyer

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