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Berlin: Visionen, wildromantisch inszeniert

Es ist wohl ein gutes Zeichen für einen Empfang, wenn man gleich zu Beginn mit einem Philosophen ins Gespräch kommt, einem Professor für Frieden. „The art of living", die Kunst des Lebens, sagt Vijay S.

Es ist wohl ein gutes Zeichen für einen Empfang, wenn man gleich zu Beginn mit einem Philosophen ins Gespräch kommt, einem Professor für Frieden. „The art of living", die Kunst des Lebens, sagt Vijay S. Rao und malt das Wort „Art" auf eine Serviette, sei nichts ohne Heart. Ohne Herz geht es nicht, auch nicht bei der Gala zum 10. Kolloquium der Alfred Herrhausen Gesellschaft für Internationalen Dialog. Das Programm dauert nicht viel länger als eine Stunde, wirkt im Vergleich zu den üblichen Glamour-Galas aber komprimiert wie ein Gedicht.

Was für ein außergewöhnlicher Luxus ist es zum Beispiel, einen Schauspieler wie Ben Kingsley einfach nur lesen zu hören. Als Sohn eines asiatischen Vaters und einer britischen Mutter war der Oscar-Preisträger („Ghandi") besonders prädestiniert für einen Auftritt hier, doch sein Lesevortrag war selbst für einen Schauspieler überraschend plastisch. In dem Text, den E.M. Foster 1941 geschrieben hat, geht es um ein ausgiebiges Lob der Toleranz, jener Tugend, die davon handelt, sich mit Leuten, die man im Grunde nicht mag, so gut wie möglich abzufinden. Dies nachdem schon die Wiener Sängerknaben Lieder aus Japan, China, Südafrika, Australien und Brasilien gesungen haben und mit einer sehr hochstimmigen Interpretation von „America the Beautiful" geendet haben. Ob der südafrikanische Professor Nasila S Rembe das goutiert hat, der gerade noch beklagte, wie sehr der Welt die guten Rollenmodelle fehlen, und dass auch die USA kein Vorbild der Art seien, an dem sich alle anderen orientieren können.

Es ist eine Gala der offenen Worte, in der Goldenen Galerie des Schlosses Charlottenburg, in die sich nun auch von außen die Abendsonne hineinbricht; ein bisschen ist sie inszeniert wie eine Messe.

Die kanadische Astronautin Julie Payette, eine ausgezeichnete, pointierte Rednerin, kommentiert Bilder, die sie aus dem All von der Erde aufgenommen hatte. Das Foto eines schönen, strahlenden Tags in Mazedonien zum Beispiel, dem man aus der Ferne nicht ansieht, dass dort gerade geschossen wird. Aus der Perspektive der Raumstation sieht man keine Einzelheiten, das schärft nicht nur metaphorisch den Blick fürs Ganze. Die chinesische Mauer etwa ist nicht erkennbar, weil sie die gleiche Farbe hat wie ihre Umgebung und deshalb mit ihr verschmilzt. Schließlich rezitiert Jürgen Flimm noch Nathan den Weisen, und die georgische Mezzosopranistin Stella Grigorian singt Arien und am Schluss, sehr erhebend begleitet von den Wiener Sängerknaben, „Panis Angelicus".

Im Anschluss spazierte die ganze Gesellschaft durch das Schloss, bis es schließlich in die Orangerie zum Essen ging. Die Regisseure vom Brandenburger Hof hatten diese an sich schon feierliche Kulisse mit viel Geschmack in Szene gesetzt. Eine weiß gekleidete Harfenspielerin im Eingang, Orangenpyramiden und kleine wildmalerische Inseln aus Zitrusfrüchten, silberne Kandelaber von Rosen umrankt, alles von exquisitem, künstlerischen Geschmack. Sitzplätze wurden via Los zugeteilt, eine anregende Lösung für eine so Koriphäen reiche Tafelrunde. Zum Essen gab es Kalbsschwanzessenz mit Trüffelklößchen, Poularde mit gefüllter Zucchiniblüte und schließlich Eistorte. Dazu weitere Anregungen. Zum Beispiel von dem polnischen Autor Czeslaw Bielecki, der sich an zuviel politischer Korrektheit stößt, null Toleranz mit Terroristen predigt und sich mit dem Aufbau eines Museums über die Mechanismen beschäftigt, mit denen der Kommunismus die Menschen unterdrückt.

Unter den Teilnehmern waren neben dem Vorstandssprecher der Deutschen Bank, Josef Ackermann, unter anderem auch Hans Küng, Imre Kertesz, Cem Özdemir, Gary Smith und Traudl Herrhausen mit Tochter Anna Katharina. Ganz am Ende der Veranstaltung spaziert der indische Philosoph Richtung Ausgang und findet noch mal klare, wenngleich nicht allzu politisch korrekte Worte für potentielle Kritiker des bankeninspirierten Brainstormings. „Ohne Visionen geht es nicht", sagt er sehr überzeugt. „Und die müssen von den Spitzen der Gesellschaft kommen. Von unten kommen sie nämlich nie.“ Elisabeth Binder

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