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Wie viel Büffeln ist gut? Je nach Gymnasium gibt es große Unterschiede bei der Belastung der Schüler. Manche Schulen gehen bei der Stundenplangestaltung geschickter vor, so dass die Schüler weniger Leerlauf haben und früher nach Hause kommen.

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Volksbegehren in Bayern und Hamburg: Diskussion ums Turboabi ist auch in Berlin noch nicht tot

Die Volksbegehren gegen das Turboabitur in Bayern und Hamburg geben der Berliner Diskussion neuen Auftrieb. Sollten die Volksentscheide erfolgreich sein, könnten sich Turboabitur-Gegner auch wieder in Berlin zu Wort melden.

In einigen West-Bundesländern wächst der Widerstand gegen das sogenannte Turbo-Abitur an Gymnasien. In Hamburg und Bayern werden Volksentscheide dazu vorbereitet, die Aussichten auf Erfolg haben. Die notwendigen 25 000 Unterschriften in Bayern seien bereits gesammelt, sagte Michael Piazolo, Generalsekretär der Freien Wähler, die das Volksbegehren initiiert haben.

In Berlin, wo es das Turboabitur („G 8“) seit 2006/07 gibt, wird die Verkürzung der Schulzeit kontrovers diskutiert. „Falls die Volksentscheide in Bayern und Hamburg ein Erfolg werden, könnte sich auch in Berlin eine derartige Bewegung formieren“, prognostiziert Jens Kaminski vom Vorstand des Landeselternausschusses. Kaminski selbst, der in Treptow-Köpenick wohnt, findet das Turboabitur allerdings „sinnvoll“ - so wie viele Eltern in den östlichen Bezirken und Ostdeutschland, die die kürzere Abiturvariante noch aus DDR-Zeiten kennen. Allerdings haben sich im LEA vor zwei Jahren bei der Beschlussfassung jene durchgesetzt, die das Turboabitur kritisch sehen und lieber eine Wahlmöglichkeit haben würden. So hat es der Landeselternausschuss in einem Grundsatzpapier einst beschlossen, das allerdings schon etwas älter ist.

Auch die Schülervertreter rechnen mit erneuten Diskussionen. "Wenn schon G8, müssten zumindest die Rahmenlehrpläne entrümpelt werden", nennt der neue Landesschülersprecher Janosch Jassim ein aktuelles Ziel Das mit den Rahmenlehrplänen sei schon länger für die nächste Gremiensitzung des Landesschülerausschusses als Thema geplant. Die Abkehr von zwölfjährigen Abitur ist aber bislang nicht auf der Tagesordnung. Viele Gymnasiasten weisen die Rückkehr zu 13 Jahren weit von sich, weil sie kein Jahr länger in der Schule bleiben wollen. „Schlimmer als das Turboabitur sind die großen Klassen und der Personalmangel“, findet etwa Leonie Mader vom Heinrich-Hertz-Gymnasium in Friedrichshain. Es seien vor allem die Lehrer, die auf das Turboabitur „schimpfen“.

Tatsächlich ist der Widerstand bei den Lehrern größer als bei Eltern und Schülern. Auch Berlins Lehrer des Jahres, Robert Rauh, fordert die Rückkehr zu 13 Jahren. Wolle man zwölf Jahre beibehalten, müsse es eine "Optimierung des Schulalltags durch Ganztagslernen (Schulaufgaben statt Hausaufgaben) sowie eine Kürzung der Lehrplaninhalte" geben. Um ein "ewiges Reform-Hin-und-Her" zu vermeiden, solle an allen Schulformen, also auch den Gymnasien, die Wahlmöglichkeit für G8 oder G9 bestehen", heißt es in dem von Rauh mitinitiierten Aufruf "schul-gerecht". Bestimmte Reifungs- und Denkprozesse sowie das Abstraktionsvermögen seien bei jungen Schülern weniger ausgeprägt, attestiert Florian Bublys von der Initiative „Bildet Berlin“.

Gymnasialverband warnt vor der Einheitsschule

Einige Bundesländer lassen den Gymnasien die Wahl zwischen zwölf und 13 Jahren. Das allerdings lehnt der Verband der Oberstudiendirektoren ab. "Ein Option, die es Gymnasien in Berlin ermöglichen würde, nach zwölf oder dreizehn Jahren zum Abitur zu führen, führt langfristig zur Einheitsschule“, sagt Ralf Treptow, der als Vorsitzender des Verbandes der Oberstudiendirektoren die Gymnasialleiter vertritt. „Wir brauchen organisatorische, inhaltliche und pädagogische Unterscheidungsmerkmale zwischen den Sekundarschulen und Gymnasien“, argumentiert er. Die Situation in Berlin, wo es an den Sekundarschulen bereits die Möglichkeit zum Abitur nach 13 Jahren gebe, sei nicht mit der in Bayern zu vergleichen, das nach wie vor ein dreigliedriges Schulsystem mit Gymnasium, Real- und Hauptschule hat. „An meiner Schule hat noch kein einziges Elternteil die Rückkehr zu G9 gefordert“, sagt Treptow, der das Rosa-Luxemburg-Gymnasium in Pankow leitet. Es gebe auch eine entsprechende Übereinkunft in der Schulkonferenz. „Statt über ein 13. Schuljahr an den Gymnasien Berlins zu diskutieren, sollte endlich ernsthaft über fünfte und sechste Klassen an den Gymnasien geredet werden, damit auch in Berlin flächendeckend G8 realisiert wird.“

In der GEW gibt es keine einheitliche Position zu dem Thema. Die kurze Oberstufe sei für Gymnasien mit schwächerer Schülerklientel durchaus eine Herausforderung, sagt die Vorsitzende Sigrid Baumgardt. Andererseits seien die Berliner Schulen reformmüde, was wiederum gegen die Rückkehr zur 13-jährigen Variante spräche. Darauf weist auch Treptow hin: „Wir haben einen Schulfrieden. Ich hoffe, dass dieses Versprechen der Koalition noch gilt“, sagt er. Bislang deutet nichts darauf hin, dass es dort ein Umdenken gibt. „Das ist momentan kein Thema in der SPD-Fraktion“, sagt Bildungspolitiker Ilkin Özisik. Auch die Bildungsverwaltung sieht keinen Handlungsbedarf. "G8 auf dem Gymnasium und G8/G9 auf der ISS hat sich bewährt", bilanziert Sprecherin Beate Stoffers die bisherigen Ergebnisse. Wichtig sei, dass die Schulen die Eltern beim Entscheidungsprozess für die Schulform beraten. Im Übrigen habe die "Berlin-Studie" gezeigt, dass "die große Mehrheit der Eltern und Lehrkräfte hinter der Schulstrukturreform.steht". Für eine geglückte Abiturzeitverkürzung an den Gymnasien sprächen auch die guten Resultate.

Während in Bayern und Hamburg die G-9-Befürworter damit argumentieren, dass die 17-jährigen Schulabgänger zu unreif seien, um eine berufliche Entscheidung zu treffen, kann das die Berliner IHK nicht bestätigen. „Wir sind für das Abitur nach zwölf Jahren“, sagte Geschäftsführer Thilo Pahl. Jedoch solle man den Unterrichtsstoff so organisieren, dass den Jugendlichen auch Zeit zur Persönlichkeitsreifung bleibe.

Treptow weist darauf hin, dass auch Gymnasiasten ja die Möglichkeit hätten, sich 13 Jahre Zeit zum Abitur zu nehmen, indem sie beispielsweise ein Jahr in der Oberstufe wiederholen, was tatsächlich auch häufig geschieht.

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