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Volksbegehren: Wenn’s zu viel kostet, blocken die Richter

Der Berliner Senat hat das Volksbegehren zur besseren Kita-Betreuung auf Grund seiner finanziellen Größenordnung für unzulässig erklärt. Bei Volksbegehren, die den Haushalt betreffen, urteilen auch deutsche Verfassungsgerichte traditionell restriktiv.

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Volksentscheide standen schon in der Weimarer Republik unter einem Haushaltsvorbehalt. Nach 1945 hat sich das nicht geändert und die Verfassungsgerichte der Länder – von Hamburg bis Bayern – haben den restriktiven Kurs des Staates gegenüber der direkten Demokratie fast immer bestätigt. Auch das Bundesverfassungsgericht verwies im Juli 2000 auf das historisch gewachsene Rechtsverständnis, wonach „der Ausschluss volksinitiierter Gesetzgebung alle Gesetze erfasst, die erhebliche staatliche Einnahmen oder Ausgaben auslösen und damit den Haushalt wesentlich beeinflussen“.

Den Karlsruher Richtern war der Eingriff der Volksgesetzgebung in das „austarierte Zusammenwirken von Regierung und Landtag“ bei der Aufstellung staatlicher Etats nicht recht. „Haushaltswirksame Entscheidungen sind komplexer Natur, die ein plebiszitäres Ja oder Nein weitgehend ausschließen.“ Im damals zu entscheidenden Einzelfall – es ging um mehr Geld für niedersächsische Schulen – hielt das Verfassungsgericht eine Mehrbelastung von 0,5 bis 0,7 Prozent des Gesamthaushalts für unzulässig, schuf damit aber keine Obergrenze, auf die sich das Kita-Volksbegehren jetzt berufen könnte.

Die Initiatoren versuchen es trotzdem, denn das Berliner Abstimmungsgesetz lässt der juristischen Fantasie freien Raum: „Volksbegehren zum Landeshaushaltsgesetz … sind unzulässig.“ Solche vagen Klauseln finden sich in allen Bundesländern, und deren Verfassungsgerichte haben gut zu tun, um das verschwommene Recht zu interpretieren. Immer taten sich die Richter schwer, eine finanzielle „Erheblichkeitsschwelle“ zahlenmäßig festzulegen. Stattdessen forderten sie eine „wertende Gesamtbetrachtung“ im Einzelfall und formulierten dafür einen allgemeinen rechtlichen Rahmen.

Der Tenor der bisherigen Rechtsprechung: Wenn eine Volksgesetzgebung gewichtige staatliche Einnahmen oder Ausgaben auslöst, die den Gesamtbestand des Haushalts und finanzpolitische Schwerpunktsetzungen der Regierung so stark beeinflussen, dass der Etat neu geordnet werden muss, ist sie unzulässig. Dabei spiele auch die Art und zeitliche Dauer der Finanzbelastung eine Rolle. Diese „Erheblichkeitsschwelle“ zu orten, ab der das Budgetrechts des Parlaments verletzt wird, ist die Kunst. Nicht jeder Fall ist so einfach gestrickt wie das Volksbegehren zum Berliner Bankenskandal, das Milliardenrisiken enthielt und zentrale Entscheidungen des Parlaments rückgängig machen wollte. Es wurde mit dem Segen des Berliner Verfassungsgerichts im November 2005 für unzulässig erklärt.

Die Hoffnung der Kita-Initiative richtet sich wohl auf ein Urteil des Sächsischen Verfassungsgerichtshofs vom Juli 2002. Danach ist ein Plebiszit nur unzulässig, wenn das Parlament anschließend keine Möglichkeit hat, „die vom Volksgesetzgeber geschaffenen haushaltswirksamen Positionen“ wieder zu beseitigen. Damit stehen die Sachsen allerdings bis heute allein. 

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