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Berlin: Volksnah in Mitte: Präsident will ins Kronprinzenpalais

Nach der Schlappe mit Schloss Schönhausen hat das Staatsoberhaupt überraschend schnell ein neues Ersatzquartier für Bellevue gefunden

Das Kronprinzenpalais Unter den Linden kommt zu neuen Ehren: Bundespräsident Johannes Rau will für sich oder seinen Nachfolger das leerstehende Barockgebäude zum Ersatz-Amtssitz umbauen lassen. Von August 2004 bis Anfang 2006 soll das Haus für repräsentative Zwecke genutzt werden. Dann wird Schloss Bellevue saniert. Zuletzt war geplant, das Schloss Schönhausen als Ersatz zu nutzen, ein Gutachten über die Schadstoffbelastung machte den Plan zunichte. „Die Sanierungskosten waren nicht absehbar“, teilte das Bundespräsidialamt mit. Anfang nächster Woche will der Haushaltsausschuss des Bundestags über den Umzugsplan entscheiden. Die Zeit für Umbauten drängt.

„Vieles läuft auf das Kronprinzenpalais zu“, bestätigte gestern die Grünen-HaushaltsexpertinFranziska Eichstädt-Bohlig, „gegen Baugifte kommt man nicht an.“ Das Bundespräsidialamt wies Vermutungen zurück, es handele sich um eine abgekartetes Spiel und der Standort Kronprinzenpalais stehe schon seit längerem fest. Der Bundespräsident habe Anfang des Jahres mehrere Standorte geprüft und sich dabei gegen das Kronprinzenpalais entschieden, weil ein Umbau für eine Zwischennutzung allein zu teuer sei. Rau habe ausdrücklich Pankow bevorzugt und auf ältere Gutachten des Berliner Liegenschaftsfonds vertraut, die nur von einer Schadstoffbelastung des Daches ausgingen, nicht aber auch von Zwischendecken in unteren Etagen. „Vielleicht hat es dort einen Irrtum gegeben“, hieß es vorsichtig. Vom Liegenschaftsfonds gab es keine Angaben.

Wie viel ein Umbau des bundeseigenen Kronprinzenpalais kostet, ist nicht völlig klar. Allein für repräsentative Zwecke müssten drei Millionen Euro ausgegeben werden, hinzu kommen weitere Renovierungskosten, die ohnehin angefallen wären. „Es bleibt unter zehn Millionen Euro“, versicherte Frau Eichstädt-Bohlig. Das Präsidialamt betonte, Rau setze bei einem Einzug ins Palais voraus, dass es für die Zeit nach dem Auszug ein Nutzungskonzept gibt. Geplant ist, dass Bundesministerien das Haus für repräsentative Zwecke nutzen sollen.

„Ein Sicherheitskonzept muss noch entwickelt werden“, bei Staatsempfängen seien Straßensperrungen ab und zu nicht auszuschließen. Das Kronprinzenpalais, einst mit seinen 30 saalartigen Räumen von der DDRRegierung als Gästehaus genutzt, war schon vor mehr als zehn Jahren als Präsidentensitz im Gespräch. Damals sollte das gesamte Präsidialamt einziehen, der damalige Präsident Richard von Weizsäcker sprach vom „Pünktchen auf dem i“ der Hauptstadtplanung. Aber Bund und Berlin stritten über den Platz- und Sicherheitsbedarf für eine 150-köpfige Behörde. Das Präsidialamt entschied sich für einen Neubau neben dem Schloss Bellevue. Das Palais, 1663 für einen Kabinettssekretär errichtet, 1732 von Johann Philipp Gerlach im Barockstil für den Kronprinzen und späteren König FriedrichII. umgebaut, diente bis in die dreißiger Jahre des letzten Jahrhunderts für Ausstellungen der Nationalgalerie. Das Gebäude ist in Wirklichkeit ein Nachbau, denn das Original-Palais brannte in den letzten Kriegswochen aus. Die Ruine, unter Denkmalschutz gestellt, wurde 1959 eingerissen, und der Ost-Berliner Magistrat sah sich öffentlichen Protesten ausgesetzt. Ein Wiederaufbau mit alten Mauern sei nicht möglich gewesen, meinten die Behörden damals. Dann wurde das Palais fast originalgetreu im Äußeren rekonstruiert und zunächst als Gästehaus des Magistrats, dann für Partei- und Staatsgäste genutzt.

Christian van Lessen

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