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Berlin: Volkswirtschaftslehre mit Clement

Der Minister erklärt den Berliner Genossen auf ihrem Parteitag die Ökonomie

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Bundeswirtschaftsminister Wolfgang Clement hat den Kreislauf der Genossen kräftig angekurbelt, als er dem SPD-Landesparteitag gestern in leidenschaftlicher Rede die Volkswirtschaft erklärte. Und er las den Berliner Parteifreunden freundlich die Leviten, weil die Linken den Leitantrag zur Arbeitsmarktpolitik kräftig aufgepeppt hatten. „Ihr wisst doch, wen ihr eingeladen habt“, rief Clement in den Saal. „Ihr könnt mich gleich kritisieren; ich bin fast unbegrenzt belastbar.“ Er redete anderthalb Stunden und bekam viel Applaus.

Clement mahnte: Nur keine neuen Steuererhöhungen und keine Wiedereinführung der Vermögensteuer. Das sei nicht vernünftig, treffe nur den Mittelstand und sei im Bundesrat nicht mehrheitsfähig. Bei Hartz IV sei man vorangekommen. Clement nannte Zahlen für Berlin. 83 Prozent der Anträge seien inzwischen eingereicht worden. Neun von zwölf Bezirken hätten Verträge mit den Arbeitsagenturen abgeschlossen, und wenn aus dem Stellenpool der Berliner Verwaltung nicht genügend Mitarbeiter kämen, müssten andere Wege beschritten werden. Bei der Telekom beispielsweise warteten „sehr motivierte Leute“ auf ihren Einsatz.

Wegen der Nachbesserungswünsche im SPD-Leitantrag zu den Hartz-Reformen bat der Wirtschaftsminister um Geduld. „Lasst den Prozess doch erst einmal in Gang kommen, bevor im Einzelnen Kritik geübt wird.“ Im nächsten Jahr würden die Arbeitsmarktreformen „präzise überprüft“. Bei den Ausbildungsplätzen zog Clement eine positive Bilanz. In Berlin sei die Zahl der Plätze und ausbildenden Unternehmen gegenüber dem Vorjahr um zehn Prozent gestiegen. Leider folgten in der Hauptstadt nur ein Drittel der jungen Leute der Einladung zu Ausbildungsgesprächen. In Sachsen-Anhalt seien es 88 Prozent.

Ein paar SPD-Linke kritisierten den Bundeswirtschaftsminister für seine Rede. Andere verteidigten ihn vehement. Der frühere SPD-Bundestagsabgeordnete Nils Diederichs fasste die Stimmung in der Partei so zusammen: „Lieber gestresst an der Regierung als entspannt in der Opposition.“ Im Leitantrag des SPD-Vorstands, der vom Landesparteitag anschließend mit großer Mehrheit beschlossen wurde, bekannten sich die Berliner Sozialdemokraten zu Hartz IV als „größter Arbeitsmarkt- und Sozialreform in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland“. Ein zusätzliches, aus Landesmitteln finanziertes Programm solle vor allem jungen Migranten, Frauen und älteren Langzeitarbeitslosen zugute kommen. Kleine und mittlere Betriebe und Firmengründer müssten stärker gefördert werden.

Die SPD bekannte sich auch zu Mindestlöhnen, zur betrieblichen Mitbestimmung und zur Verkürzung der Arbeitszeit „bei vollem Lohnausgleich für die unteren und mittleren Einkommen“. Die Hartz-Reformen müssten 2005 überprüft, die 1-Euro-Jobs streng kontrolliert und die Vermögensteuer wieder eingeführt werden. Denn Reformen würden nur akzeptiert, „wenn sie dem Gerechtigkeitsempfinden einer Mehrheit entsprechen“. Das war wohl auch der Grund, warum die Delegierten die geplante Preiserhöhung bei den BVG-Schülertickets und die Abschaffung des Geschwistertickets ablehnten.

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