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Abbildung ähnlich. Mit 400 Millionen Euro weniger an Zuschüssen muss Berlin auskommen, weil sich die Einwohnerzahl weitaus niedriger herausstellte als erwartet

© dpa

Volkszählung und finanzielle Folgen: Berlin klagt vorerst nicht auf Hunderte Millionen Euro

Auch wenn es um jährlich 400 Millionen Euro geht: Berlin wird im Gegensatz zu anderen Städten vorerst nicht gegen die jüngste Volkszählung klagen. Wegen dieser wurden Einwohnerzahl und Zuwendungen aus dem Länderfinanzausgleich drastisch nach unten korrigiert

Von Ulrich Zawatka-Gerlach

Es geht um viel Geld. Jedes Jahr mehr als 400 Millionen Euro, die in der Landeskasse fehlen, weil der Zensus 2011 die statistische Einwohnerzahl Berlins um 179 000 Menschen reduzierte. Das schlägt heftig auf die Zahlungen aus dem Länderfinanzausgleich durch. Finanzsenator Ulrich Nußbaum (parteilos, für SPD) sprach von einem „Rückschlag für den Berliner Konsolidierungskurs“.

Deshalb wollte die Hauptstadt, wie viele andere deutsche Kommunen auch, gegen die umstrittene Volkszählung klagen. Bisher wurde aber nichts daraus, obwohl die Ergebnisse des Zensus seit Mai 2013 vorliegen und andere Städte und Gemeinden längst vor Gericht gezogen sind.

„Die schwierigen Rechtsfragen im Zusammenhang mit einem gerichtlichen Vorgehen konnten noch nicht abschließend geklärt werden“, informierte die Finanzverwaltung das Abgeordnetenhaus Ende September. Vor einer Woche wurde dem Hauptausschuss des Parlaments zusätzlich mitgeteilt, dass die „Meinungsbildung unter den Senatsverwaltungen, die mit diesem Themenkomplex befasst sind und eine Arbeitsgemeinschaft gegründet haben“, noch nicht abgeschlossen sei.

Hamburg streitet allein vor Gericht

Seit langem erwägt der rot-schwarze Senat, ein Normenkontrollverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht anzustrengen, gemeinsam mit Hamburg. Aber die „angedachte Prozessgemeinschaft“ mit der Hansestadt werde wohl nicht zustande kommen, erfuhren die Haushälter des Abgeordnetenhauses am Ende der Sommerferien. Die Innenverwaltung des Senats, die für den juristischen Teil des Problems originär zuständig ist, bestätigte dies am Dienstag. Ob, wie und wann das Land Berlin nun im Alleingang vor Gericht ziehen wird, bleibt vorerst offen.

Andere Städte und Gemeinden in Deutschland sind erkennbar streitlustiger als Berlin. Rund 800 Kommunen haben gegen die Zensusbescheide Widerspruch eingelegt. 344 Kommunen reichten laut "Spiegel Online" gegen die Ergebnisse der Volkszählung Klage ein, um ihre Forderungen nach einer Korrektur der Zensusdaten durchzusetzen. Überall geht es ums Geld. Für den kommunalen Finanzausgleich ist die Einwohnerzahl maßgebend.

Bremen geht voran

Aus Sicht des Berliner Senats steht auch die Frage im Raum, ob das Zensusgesetz vor dem Bundesverfassungsgericht erfolgreich angreifbar wäre, weil es die verfassungsrechtlichen Grundsätze der Gleichbehandlung und kommunalen Selbstverwaltung verletzen könnte. Vor dem Gang nach Karlsruhe wird offenbar erst abgewartet, wie die Verwaltungsgerichte in Deutschland entscheiden.

Am Montag eröffnete das Bremer Verwaltungsgericht das bundesweit erste Verfahren. Allein Berlin musste wegen der statistisch verschwundenen Einwohner bis Ende 2013 rund 820 Millionen Euro in den Länderfinanzausgleich zurückzahlen. Ab 2014 fallen jährlich 400 Millionen Euro weg.

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