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Berlin: „Vollkasko-Mentalität und Rosinenpickerei“

Der Verwaltungswissenschaftler Manfred Röber zum „Fall Bielka“ und dessen Folgen

Ist es grundsätzlich verwerflich, wenn Politiker in öffentliche Unternehmen wechseln?

Nein. Es müssen Regeln aufgestellt werden, die eine Parteibuchwirtschaft verhindern. Aber es wäre falsch, Politikern generell zu verbieten, in die Vorstände staatlicher Unternehmen zu gehen. Solche Betriebe haben ein besonderes Anforderungsprofil, sie müssen mit wirtschaftlichen Mitteln eine öffentliche Aufgabe erfüllen. Es ist nicht gesagt, dass Manager mit rein privatwirtschaftlicher Erfahrung dort an der richtigen Stelle sind. Politisches Fingerspitzengefühl gehört dazu.

Also doch – Politiker in die Betriebe!

Naja, es gibt so’ne und solche. Auch bei der Besetzung von Führungsposten in der öffentlichen Wirtschaft muss auf Qualität geachtet werden. Sich um die Partei verdient gemacht zu haben, reicht nicht aus.

In den USA beispielsweise stört sich niemand am Wechsel zwischen Politik und Wirtschaft.

Ich fände es gut, wenn auch unser System durchlässiger wäre. Aber in Deutschland bewegt sich fast alles im Dunstkreis von Politik, öffentlicher Verwaltung und staatlichen Unternehmen.

Ist Berlin für Ämterpatronage wirklich besonders anfällig?

Ja. Auch wenn der „Kölsche Klüngel“ dem „Berliner Filz“ kaum nachsteht.

Was kann man dagegen tun?

Ein einfaches Mittel sind professionelle Auswahlverfahren. Dazu gehört die bundes oder europaweite Ausschreibung von Führungsstellen in öffentlichen Unternehmen. Es werden für solche Positionen auch selten brauchbare Anforderungsprofile entwickelt. In gut geführten Privatunternehmen wäre das undenkbar.

Was halten Sie von einer mehrjährigen Sperre für Politiker, die in öffentliche Unternehmen wechseln wollen?

Das ist grundsätzlich nicht verkehrt. Aber im Einzelfall können Qualifikationen und politische Kontakte verloren gehen, wenn der Betreffende länger raus ist aus dem Geschäft.

SPD und PDS wollen Politikern verbieten, aus dem Aufsichtsrat eines landeseigenen Unternehmens in dessen Vorstand zu wechseln.

Eine sinnvolle Idee. Nicht nur im Fall des Finanz-Staatssekretärs Bielka hat ein solcher Wechsel immer ein Geschmäckle. Es erweckt den Eindruck, dass sich jemand mit Hilfe des Aufsichtsrats den neuen Job vorteilhaft zurechtschnitzt.

Für private Aktiengesellschaften gibt es mit dem „Corporate Governance Kodex“ verbindliche Verhaltensregeln…

Ein solcher Kodex, der zu mehr Transparenz führt, wäre für den staatlichen Unternehmensbereich eigentlich noch wichtiger als für den privaten Sektor. Immerhin geht es um den Schutz öffentlicher Güter und Dienstleistungen. Da sollten strenge Maßstäbe gelten.

Strenge Maßstäbe – auch für die Höhe der Vorstandsgehälter?

Was sich die Vorstände privater Großunternehmen genehmigen, ist in vielen Fällen unanständig. Trotzdem könnte man es mit dem Bestandsrisiko dieser Konzerne begründen. Im staatlichen Bereich hingegen, der kaum ein Marktrisiko kennt, werden hohe Vorstandeinkommen mit der Vollkasko-Mentalität des öffentlichen Dienstes verbunden. Das ist Rosinenpickerei.

Das Gespräch führte Ulrich Zawatka-Gerlach.

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