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Berlin: Vom Döner-Image zum Ethno-Marketing

Ausländische Unternehmer sind nicht nur Gemüsehändler. Gerade in Berlin nutzen sie ihre Chancen

Dönerverkäufer, Gemüsehändler oder Reisebüroinhaber: Die Liste ausländischer Unternehmer in Deutschland ist lang. Und sie wird von Jahr zu Jahr länger. Allein in Berlin ist im vergangenen Jahr die Zahl der Betriebe mit einem ausländischen Inhaber oder Geschäftsführer um 27 Prozent gestiegen (siehe Kasten).

Noch sind die meisten von ihnen Händler oder Betreiber eines Gastgewerbes – Berufe also, für die man nicht unbedingt gute Deutschkenntnisse oder eine qualifizierte Ausbildung braucht. Doch in den vergangenen Jahren hat sich ein Wandel vollzogen, wie Achim Rothe von der Industrie- und Handelskammer (IHK) Berlin beobachten konnte. „Es hat eine stärkere Qualifizierung der ausländischen Unternehmen stattgefunden“, sagte er. „Sie sind aus der Dönerecke rausgekommen. Ihre Angebote richten sich inzwischen nicht mehr nur an die eigenen Leute, sondern auch an Deutsche.“ Neben dem klassischen Gemüseladen böten ausländische Unternehmer inzwischen vermehrt hochwertige Dienstleistungen an.

Diese Einschätzung kann Nihat Sorgeç von der deutsch-türkischen Industrie- und Handelskammer nur bestätigen. „Bedauerlich ist aber, dass diese Unternehmer mittlerweile so stark integriert sind, dass man sie kaum noch als Ausländer wahrnimmt.“

Damit könnten auch Atilla Çiftçi und Burhan Gözüakça gemeint sein. Die beiden Türken sind seit sieben Jahren Inhaber der Medienagentur Beys in Berlin- Tiergarten. Auf den ersten Blick könnte ihre Firma auch einem Deutschen gehören, so preußisch-ordentlich geht es hier zu. Wäre da nicht der Schwerpunkt ihres Geschäfts: Ethnomarketing nennt sich das, was sie hauptsächlich machen. Çiftçi und Gözüakça denken sich Konzepte für türkische Unternehmen aus, die in Deutschland werben wollen. Aber auch deutsche Firmen, die an die türkische Minderheit in Deutschland herankommen wollen, nehmen ihre Dienste in Anspruch. Zu ihren Kunden zählen die Deutsche Telekom und Turkish Airlines.

Çiftçi und Gözüakça sind stolz auf das, was sie als Einwandererkinder geschafft haben. Der heute 40 Jahre alte Çiftçi hat als einer der ersten Türken an der Hochschule der Künste in Berlin seinen Abschluss als Diplom-Kommunikationswirt gemacht. Gözuakça, 34, arbeitete zunächst im elterlichen Lebensmittelbetrieb, um später auf dem zweiten Bildungsweg noch kaufmännische Grundlagen zu erlernen. „Leider gibt es noch immer zu wenig ausländische Unternehmer, die ihre Chancen nutzen und qualitativ hochwertige Dienstleistungen anbieten,“ sagt Gözüakça. „Das fällt uns deshalb auf,weil wir immer noch wenig Konkurrenz auf dem Gebiet des deutsch-türkischen Ethnomarketings haben.“ Auch deshalb gewinne die kleine Agentur mit ihren sieben Mitarbeitern so viele große Unternehmen als Kunden.

Den Vorteil, zwei Märkte zu kennen und zwei Sprachen zu beherrschen, hat auch Sandeep Singh Jolly für sich genutzt. Vor sechs Jahren gründete der gebürtige Inder die Beratungsfirma it-india. Diese berät mittelständische IT-Unternehmen, die in Indien beziehungsweise in Deutschland investieren wollen. „IT-Berater gibt es ja wie Sand am Meer, aber nur wenige mit den Kenntnissen, die ich mitbringe.“ Genau darin sieht der gelernte Wirtschaftsinformatiker den Erfolg seines inzwischen auf neun Mitarbeiter gewachsenen Betriebs. „Ich glaube nicht, dass sich ein deutsches Unternehmen von einem Deutschen über die Investitionsmöglichkeiten in Indien so gut beraten fühlt wie von uns“, sagt Jolly.

Nihat Sorgeç von der Türkisch-Deutschen Industrie- und Handelskammer bezweifelt aber, dass Unternehmen wie Beys oder it-india einen solchen Erfolg hätten, wenn sie nicht zweisprachig wären. „Diese Bilingualität ist die große Chance für die Unternehmer nicht-deutscher Herkunft.“ In seinen Augen sind aber noch zu wenige ausländische Unternehmer so gut ausgebildet.

Achim Rothe von der IHK Berlin ist optimistischer. „Bereits heute ist der Bildungsgrad unter den türkischen Unternehmern relativ hoch.“ So verfüge ein Fünftel über einen Hochschulabschluss. 23 Prozent hätten eine Meister- oder Technikerausbildung und jeder Fünfte könne eine abgeschlossene Berufsausbildung vorweisen. Grundvoraussetzung ist das aber nicht: Denn etwa ein Drittel verfügt über gar keine Berufsausbildung.

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