zum Hauptinhalt

Berlin: Vom Polizisten geprellt

Ein Kommissar soll mit Schneeballsystem Kunden um 2,4 Millionen Euro betrogen haben

Mit einem Einsatz von mindestens 250 Euro war der Kunde dabei. Dann sollte er in den Genuss des Einkaufens zum halben Preis kommen. Ob Waschmaschinen, Fernseher, Autos, Swimmingpools oder Weltreisen – die Firma „Alternative Kollektive Wertschöpfung“ (AKW) konnte angeblich alles mit unglaublichen Rabatten besorgen. Die Fäden hatte ein Mann in der Hand, der eigentlich auf der Seite des Gesetzes stehen sollte: Polizeikommissar Jens B. aber soll von Anfang an auf Betrug gesetzt haben. Seit gestern steht der vom Dienst suspendierte Beamte vor Gericht.

Es geht um eine angebliche „Einkaufsgemeinschaft“, um ein illegales „Schneeballsystem“ und um einen Schaden von rund 2,4 Millionen Euro. Jens B. begann den Ermittlungen zufolge im Frühjahr 2003 mit dem Schwindel. Im Dienst wurde er von diesem Zeitpunkt an nicht mehr gesehen. Der zunächst krankgeschriebene Beamte soll sich vielmehr um die Firma mit Sitz in der Storkower Straße in Prenzlauer Berg gekümmert haben. Eine Zentrale entstand, für die bald bundesweit 20 Manager und etwa 800 Mitarbeiter tätig waren.

Der 51-jährige Jens B. hörte mit zumeist gesenktem Kopf der Staatsanwältin zu, die Stunde um Stunde brauchte, um das umfangreiche Zahlenwerk der Anklageschrift zu verlesen. Rund 1000 Kunden soll der suspendierte Beamte geprellt haben. Sie hätten Geldbeträge eingezahlt, für die sie keine Gegenleistungen erhielten und die ihnen auch nicht zurückerstattet wurden, hieß es in der Anklage. Für 68 der Fälle muss sich ein ehemaliger leitender AKW-Angestellter mitverantworten.

Das Betrugssystem brauchte Expansion. Mitarbeiter wurden geworben, die gegen Provision weitere Kunden und Mitarbeiter finden sollten. Wer frühzeitig eingestiegen war, erhielt tatsächlich die zugesagten Waren. „Ich zahlte 250 Euro ein und bekam nach drei Monaten den von mir bestellten Geschirrspüler für knapp 500 Euro“, sagte ein früherer AKW-Mitarbeiter.

Jens B. wurde elf Monate nach seiner Krankschreibung vom Dienst suspendiert. Das illegale Geschäft lief laut Anklage weiter. Von der Behörde hatte er allerdings bereits seit Dezember 2004 wegen des Verdachts „erheblicher Nebeneinkünfte“ kein Geld mehr gesehen. Als er auf Vorladungen nicht reagierte, wurde im Oktober 2005 internationaler Haftbefehl erlassen. Gefasst wurde er erst im Februar 2006. Da war der mutmaßliche Betrüger dreist bei der Personalverwaltung der Polizei erschienen, um sich nach seinem Gehalt und dem Stand seines Disziplinarverfahrens zu erkundigen. Am morgigen Donnerstag werden im Prozess Aussagen der Angeklagten erwartet.

Kerstin Gehrke

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false