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Berlin: Vom Verhandeln und Behandeln

Wie laufen Gespräche ab zwischen Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, aber miteinander reden müssen?

Am Morgen hatte Eberhard Schönberg, Vorsitzender der Berliner Polizeigewerkschaft, eine Krawattennadel in Form von Handschellen an den Schlips geklickt. Ob er die jeden Tag trägt, ist nicht bekannt, auch nicht, ob er sie an diesem Tag nur trug, um eine Lösung im Sinn der Angestelltenvertreter heraufzubeschwören. So nach dem Motto: Wir überwältigen ihn, den Verbrecher, den Wowereit, und führen ihn seiner Strafe zu. Schließlich hatte der Oberbürgermeister die „Unverschämtheit besessen“ (O-Ton Schönberg), Einkommensreduzierungen gegen Arbeitszeitverkürzung und Beschäftigungssicherung tauschen zu wollen, und damit das bundesweite Tarifsystem zu ignorieren. Genutzt haben Schönbergs Mini-Handschellen nicht. Aber das hatten die Gewerkschafter noch nicht ahnen können, kurz vor elf am Roten Rathaus.

Da standen sie, etwa 50 Unverdrossene, die sich vom mächtig aufragenden Amtssitz nicht einschüchtern ließen und einander mit Trillerpfeifen anfeuerten. Fahnen raschelten, rote mit „Ver.di“ drauf und grüne mit der Aufschrift „Gdp“. Auch die Anführer waren da und tankten nochmal Nestwärme vor der Schlacht: Eberhard Schönberg für die Polizisten, Ulrich Thöne für die Lehrer, Susanne Stumpenhusen für Berlins Verdi-Sektion und Bernd Rissmann als stellvertretender Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes in Berlin. Nacheinander erkletterten sie den DGB-Bus, um ins Megaphon zu rufen. Zum Beispiel: „Wir werden dafür sorgen, dass ihr nicht wie Vieh zur Schlachtbank geführt werdet.“

Drohgebärden und persönliche Beleidigungen sind in den vergangenen Wochen ausgetauscht worden. Viele ergebnislose Treffen hat es gegeben. Wie laufen Gespräche ab zwischen Menschen, die sich nichts mehr zu sagen haben, aber miteinander reden müssen? Susanne Stumpenhusen war allein beim Gedanken an Klaus Wowereit genervt. „Der flachst immer nur herum“, sagte sie. „Wir haben schon öfter mehr Ernsthaftigkeit angemahnt.“ „Das wird nicht nett“, meinte Bernd Rissmann. Ein paar letzte Trillerpfeifereien, dann setzte sich der Tross in Bewegung. „Wir lassen uns nicht den Schwarzen Peter zuschieben“, rief Schönberg noch mit kämpferischem Lachen.

Zwei Stunden später, kurz nach eins. Aus Raum 129 drängeln sich die Verhandlungspartner plus Bodyguards. Bodyguards gucken immer ernst. Aber Eberhard Schönberg? Na, immer noch gute Laune? „Ne“, knurrt er. Die Schlacht geht also weiter. Bei der Pressekonferenz ergehen sich beide Seiten in der Wiederholung ihrer Vorschläge und Gegenschläge. Keine gönnt der anderen das letzte Wort, so dass die Runde immer wieder von vorne beginnt mit immer dünneren Argumenten, immer polemischeren Kommentaren. Wowereit guckt nicht mal hin zur anderen Seite und murmelt spöttisch dazwischen, Schönberg ruckelt verlangend an seinen Handschellen, Stumpenhusen neigt sich kämpferisch über den Tisch, und Rissmann krampft die Arme vor der Brust. „Nie zuvor habe ich einen Verhandlungspartner so unnachgiebig und uneinsichtig erlebt“, sagt er.

Um 14 Uhr 28 ist die Schlacht beendet, die Kontrahenten gehen unverzüglich. Sie haben heftig genug auf den Gegner eingedroschen, um nicht allzu viel an Gesicht verloren zu haben. Schuld sind auf jeden Fall die Anderen. Das Ergebnis: keines. Die Handschellen auf Eberhard Schönbergs Schlips sind da schon ganz nach unten gerutscht.

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