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Vom "Volkssport" zum seltenen Ereignis: Profis überfallen keine Banken mehr

Der Geiselnehmer von Zehlendorf handelte irrational. Seit die Geldinstitute besser gesichert sind, ist die Zahl der Banküberfälle stark gesunken. Täter auf der Suche nach dem schnellen Geld haben lohnenswertere Ziele entdeckt.

Noch ist über den Täter wenig bekannt. „Wir wissen bislang fast nur, was er selbst von sich erzählt hat“, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft, Simone Herbeth, am Sonntag. Das habe man aber noch nicht überprüfen können, „zumal er nicht in Berlin, sondern in Wolfsburg wohnt.“ Deshalb seien die Ermittler mit Hochdruck dabei, mehr über den 29-jährigen Mann zu erfahren, der am Freitag die Deutsche-Bank-Filiale in Zehlendorf-Mitte überfallen hat und einen Angestellten neun Stunden lang als Geisel nahm. Bei den telefonischen Verhandlungen mit Polizeipsychologen, die ihn schließlich zum Aufgeben überredeten, gab er als Tatmotiv Finanzprobleme an. Außerdem habe er erzählt, dass er als Bundeswehrsoldat in Afghanistan im Einsatz gewesen sei, bestätigt die Staatsanwaltschaft.

Wie berichtet, wurde gegen den Mann inzwischen ein Haftbefehl wegen räuberischen Menschenraubes erlassen. Polizeiexperten bezeichneten ihn schon vor dem Ende der spektakulären Geiselnahme als „planlos und irrational“. Das deckt sich mit dem Täterprofil der meisten anderen Kriminellen, die in den vergangenen Jahren in Berlin Geldinstitute überfallen haben. „Für kriminelle Profis sind die klassischen Banküberfälle wegen der erhöhten Sicherheitsvorkehrungen und des immens gestiegenen Risikos kaum mehr interessant“, heißt es in Polizeikreisen. In der Folge hat die Zahl dieser Delikte massiv abgenommen. Mitte der 90er Jahre wurden noch durchschnittlich bis zu 100 Geldinstitute in Berlin pro Jahr überfallen, 2002 gab es noch 60 Fälle, danach sank die Zahl auf etwa 20 pro Jahr, 2011 registrierte die Polizei 15 Fälle. Für 2012 liegen bislang keine Zahlen vor.

Die Boomzeit des Bankraubs war in den späten 60er- und den 70er Jahren, als die Banken bundesweit ihre Filialnetze verdichteten und selbst Ein-Mann-Niederlassungen einrichteten. Damals war sogar vom „deutschen Volkssport ,Bankraub’“ die Rede. Hinzu kamen die politisch motivierten Überfälle terroristischer Gruppen. So raubte die Rote Armee Fraktion (RAF) am 29. September 1970 gleich drei Institute aus. Gesamtbeute: 200 000 DM.

Mit welchen Tricks sich die Banken sichern.

Nach der Wende wurden die besonders schlecht gesicherten Ostberliner Filialen bevorzugt ausgeraubt. Doch seit den späten 90er Jahren setzten sich die Banken zur Wehr: Erst saßen die Kassierer hinter Panzerglas, dann schaffte man die Kassen fast überall ab, erhöhte dafür die Zahl der Geldautomaten. Seither haben die Bankangestellten nur noch Zugriff auf wenige tausend Euro Bares. Und für den Notfall gibt es „Sicherheitspäckchen“ mit präparierten Scheinen, die sich später in der Hand des Täters einfärben. Außerdem sind die meisten Filialen videoüberwacht.

Diese Aufrüstung hat dazu geführt, dass inzwischen in Berlin etwa jeder dritte versuchte Bankraub misslingt und bis zu 60 Prozent aller Taten aufgeklärt werden. Hat ein Täter Erfolg wie im Januar dieses Jahres bei einem Überfall an der Potsdamer Straße in Schöneberg, so bekommt er laut Polizei nur „verhältnismäßig geringe Summen in die Hände“. 2011 waren es durchschnittlich 30 bis 40 000 Euro. Wird der Räuber erwischt, muss er mit einer hohen Mindeststrafe von fünf Jahren Haft rechnen.

Wegen dieser schlechten Aussichten weichen viele Täter inzwischen auf kleinere Läden oder Lokale aus. Die Zahl dieser Überfälle hat zugenommen. 2011 gab es 520 solcher Delikte. Die Banken sowie die Konten ihrer Kunden werden heute meist auf raffiniertere Weise angegriffen: Vor allem durch Manipulationen von Geldautomaten. Bei dieser Masche werden Pin-Codes ausspioniert oder Geldscheine durch Klebebänder verdeckt zurückgehalten – das sogenannte Cashtrapping. Solche Delikte nehmen stark zu, in Berlin gibt es schon mehrere tausend Geschädigte pro Jahr. Die brutalere Variante, bei der Geldautomaten von Banden aus der Wand gerissen oder gesprengt werden, beschränkt sich auf Einzelfälle. Diese Attacken, so die Polizei, sind „eher selten erfolgreich“.

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