zum Hauptinhalt

Berlin: Vom Wahlkampf reden die Parteien plötzlich nicht mehr

BERLIN .Die frühe Wahlkampfstimmung in Berlin ist verflogen.

BERLIN .Die frühe Wahlkampfstimmung in Berlin ist verflogen.Der Nato-Einsatz im Kosovo beherrscht die politischen Gemüter.Die Stimmung reicht von Ruhe in der CDU über Bedrückung bei der SPD und Selbstbewußtsein bei der PDS bis zu innerer Zerrissenheit der Grünen.Allerdings halten sich innerparteiliche Debatten wegen der Osterpause noch in Grenzen.Auch der SPD-Landesvorstand urlaubt; Parteichef Peter Strieder und Spitzenkandidat Walter Momper machen Ferien.

Wie weit die Wahlkampf-Vorbereitungen gelähmt sind, will niemand sagen.Ohne das bedrückende Thema Kosovo "wäre es sicher einfacher", meint SPD-Landesgeschäftsführer Ralf Wieland."Die Rangordnung der Probleme verschiebt sich.Wir merken, wie relativ unsere innerstädtischen Probleme sind", sagt Fraktionschef Klaus Böger.Aber von "Resignation" könne keine Rede sein.Die SPD starrt zunächst auf den Bundesparteitag am 12.April, auf dem Bundeskanzler Gerhard Schröder als Parteichef zur Wahl steht.Auch eine Kosovo-Debatte wird erwartet.Aber der Parteitag werde der Bundesregierung "den Handlungsspielraum geben, den sie braucht", prognostiziert Böger, Exponent des rechten Flügels.Auch der stellvertretende Landeschef Klaus Uwe Benneter vom linken Flügel, der im Gegensatz zu Böger die Nato-Einsätze ablehnt, warnt, die Kosovo-Debatte "zu personalisieren".

Die Sozialdemokraten bestreiten eine Austrittswelle."Das ist übertrieben", sagt Wieland.Bei knapp 21 000 Mitgliedern seien 70 Austritte und 40 Eintritte im März "keine Austrittswelle".In den Vormonaten hatte man dagegen mehr Eintritte als Austritte registriert.Wieland fand gestern in der Post weitere 15 Austritte und zehn Eintritte.Nicht alle Austritte wurden begründet, aber einige mit dem Rücktritt Lafontaines und dem Nato-Einsatz.Die Anfang März begonnene Mitglieder-Werbeaktion der SPD hat damit nicht den erhofften Erfolg, soll aber fortgesetzt werden.

Auch von einer inneren Zerreißprobe will niemand in der SPD reden, obwohl Kontroversen über den Kosovo-Einsatz eingeräumt werden.Der Donnerstagskreis der Linken, dessen Sprecher Benneter ist, hat am Gründonnerstag eine Resolution mit der Forderung nach sofortiger Einstellung der Nato-Einsätze beschlossen.Kanzler Schröder solle als EU-Ratsvorsitzender eine Friedenskonferenz einberufen.Die Nato habe sich "ein Stück verschätzt", meint Benneter.Matthias Linnekugel vom linken Flügel, Mitglied im Landesvorstand, erwartet einen "stärkeren Ruck zur Politisierung der Partei".Linnekugel spricht von "Hilflosigkeit".Das Bewußtsein des Krieges werde noch verdrängt.

Für die CDU meldet Parteisprecher Matthias Wambach dagegen ungebrochenen Parteizuwachs seit der Bundestagswahl.Im Durchschnitt stünden monatlich 100 Eintritten 50 Verluste gegenüber.In jüngster Zeit seien es sogar eher 150 Eintritte.Innere Konflikte wie bei den Linken sehe er in der CDU nicht.Bei der CDU-Zentrale sei nur ein einziger Brief mit der Forderung nach Beendigung der Nato-Einsätze eingegangen.

Bei den Bündnisgrünen stehen sich die Lager aus strikten Gegnern des Nato-Einsatzes und denen, die das Bombardement rechtfertigen, leidenschaftlicher gegenüber als in der SPD.Fraktionschefin Michaele Schreyer spricht von einer "respektvollen Diskussion", in der jeder wisse, "daß er nicht die Moral gepachtet hat".Die "Zerrissenheit" gehe letztlich durch jedes einzelne Parteimitglied.Während in der Parlamentsfraktion überwiegend die Position geteilt werde, daß Militäreinsätze gerechtfertigt seien, tendiere die Parteibasis zur strikten Ablehnung.Nach einer intensiven Diskussion am vergangenen Mittwoch tritt heute abend der Landesausschuß zusammen.Höchstwahrscheinlich wird die Partei eine Resolution beschließen, in der das sofortige Ende des Nato-Einsatzes gefordert wird.Die Einberufung eines Bundesparteitages müssen die Berliner Grünen nicht mehr fordern, da der Bundesvorstand sich bereits auf den 13.Mai als Parteitagstermin verständigt hat.Eine nennenswerte Zahl von Austritten verzeichnen die Grünen nicht.Laut Vorstandsmitglied Anja Kofbinger haben seit Beginn der Kampfhandlungen 20 Grüne die Partei verlassen, 16 seien eingetreten.Frau Schreyer erwartet, daß im Wahlkampf das Verhalten der Grünen-Bundestagsfraktion zu den Nato-Einsätzen eine Rolle spielen wird: "Auf uns wird das aber nicht negativ zurückschlagen, da sich die Grünen von ihrem grundsätzlichen Ziel des Pazifismus nicht verabschiedet haben."

Der Berliner PDS schlägt nach Einschätzung des stellvertretenden Landesvorsitzenden Udo Wolf "erhebliche Sympathie entgegen".Die PDS-Bundestagsfraktion hatte sich als einzige gegen die Nato-Einsätze ausgesprochen.Während auf Bundesebene von 200 Neueintritten, die meisten im Westen der Republik, die Rede ist, kann der Berliner Verband keine Zahlen nennen.Wolf verweist auf "viele zustimmende Anrufe und Briefe".Die PDS wolle sich aber nicht als "Kriegsgewinnler" profilieren.

B.GRUNERT, A.BAHR

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false