zum Hauptinhalt
Mit seinem elektrischen Rollstuhl ist Werner Agatz am Dienstag von seiner Reise zurückgekommen.

© Juliane Fiegler

Von Berlin nach Lippstadt: Rollstuhl-Fahrt für den guten Zweck

Werner Agatz fährt mit seinem Rollstuhl 478 Kilometer von Berlin nach Lippstadt – und wieder zurück. Für den Zug war sein Rollstuhl zu lang.

Eigentlich wollte er die Bahn nehmen. Doch sein Rollstuhl ist einschließlich Gepäckanhänger zu lang: Bis zu 1,22 Meter lang darf ein Rollstuhl sein, um in der Bahn mitfahren zu dürfen, das Modell von Werner Agatz misst etwa 1,32 Meter. Ein Behindertentransport wäre zu teuer gewesen; so entschied sich der 57-Jährige kurzerhand, die fast 500 Kilometer einfach selbst zu fahren – auf seinem Rollstuhl und mit 45 Kilo Gepäck.

Auf den ersten Blick könnte man Werner Agatz für einen Hausmeister auf seinem Rasenmäher halten. Locker, aber vorausschauend kommt er auf seinem geräuschlosen, dunkelblauen Fahrzeug angerollt. Dass sein Gefährt ein elektrischer Rollstuhl ist, wird erst auf den zweiten Blick deutlich. Gibt Agatz Vollgas, lässt er die meisten Jogger hinter sich – bis zu 15 Kilometer pro Stunde schafft sein Fahrzeug.

Probefahrt nach Potsdam

In diesem Tempo ist Agatz sechs Wochen lang durch die halbe Republik gefahren: Am siebten Mai ist er von sich zu Hause in Berlin-Lankwitz losgefahren, um sich mit seiner Mutter bei Lippstadt zu treffen. „Die hat da Urlaub gemacht, und ich wollte sie unbedingt sehen.“

„Probeweise bin ich erst mal bis Potsdam gefahren, um zu sehen, wie viel ich schaffe.“ Ergebnis: Höchstens 60 Kilometer, dann muss der Akku des Rollstuhls zwölf bis 14 Stunden lang aufgeladen werden. „Zwei Tage hab’ ich gebraucht, um mir ungefähr alle 40 bis 50 Kilometer ein Hotel zu organisieren. 28 Hotels hab’ ich jetzt insgesamt auf ihre behindertengerechte Einrichtung getestet.“ Sein Fahrradnavigationssystem schickte ihn teilweise über einen Friedhof oder über Feldwege. Einmal stand Agatz vor einer unbeweglichen Schranke. Nur mit Hilfe einer Gruppe Fahrradfahrer konnte er schließlich untendurch kriechen und Sitz und Lenkrad seines Fahrzeugs so einklappen, dass es auch durch passte.

Spenden für Schädel-Hirngeschädigte e.V.

„Um der ganzen Sache noch einen Sinn zu verpassen“, erzählt Agatz, machte er aus seiner abenteuerlichen Reise eine Charity-Aktion: Er verkaufte Postkarten und Bilder – teilweise selbst gezeichnet oder gestaltet – und spendete die Einnahmen daraus dem Förderverein „Hilfe für Schädel-Hirngeschädigte e.V.“

Agatz ist selbst gehirngeschädigt: „Ein Schrumpfhirn – ich hab’ ungefähr das Gehirn eines 83-Jährigen.“ Ursache sei wohl der viele Stress in seinem früheren Alltag als selbstständiger Koch. Im Rollstuhl sitzt Agatz allerdings wegen der Folgen seiner Diabetes, die er schon von Geburt an hat. „Der Zucker hat sozusagen meine Nerven angefressen. In den Füßen hab’ ich kein Gefühl mehr, in den Händen fängt’s auch schon an.“ Angst vor der Reise habe er trotz Krankheit nicht gehabt: „Auf den Berliner Straßen ist es teilweise gefährlicher.“

Juliane Fiegler

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false