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Berlin: Von den Kindern fehlt jede Spur

Der Ägypter Mahmoud A. entführte vor fünf Jahren Sohn und Tochter. Jetzt wurde er zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt

Plötzlich schien das Unwahrscheinliche doch noch einzutreten. „Ich werde mich bemühen, die Kinder zurückzubringen“, hatte der Vater angekündigt. Das war vor zehn Tagen und damit 1628 Tage nach dem Verschwinden von Hannah und Ibrahim. Die Mutter hoffte und bangte. Bis gestern. Da saß Helen S. wieder ihrem Ex-Mann im Gerichtssaal gegenüber. Doch dann weigerte sich der aus Ägypten stammende Mahmoud A. doch, jemanden zu benennen, der zu Hannah und Ibrahim führen könnte. Wegen Kindesentziehung wurde er zu vier Jahren und sechs Monaten Haft verurteilt.

Helen S. blieb nach dem Urteil wie versteinert sitzen. Die Mutter wirkt ausgemergelt, hat dunkle Ringe unter den Augen. Der Tag, an dem sie ihre Kinder das letzte Mal gesehen hat, liegt viereinhalb Jahre zurück. Hannah war damals fünf, Ibrahim zweieinhalb Jahre alt. Der Vater wollte einen Tag mit den Kindern verbringen. Die Mutter war einverstanden. Ihr war wichtig, dass die Kinder auch nach der Scheidung Kontakt zum Vater haben. Am U-Bahnhof Mehringdamm nahm er die Kinder im Empfang. „Bis morgen“, rief die Mutter. Sie sah ihre Kinder nie wieder.

Mahmoud A. hat Hannah und Ibrahim nach Ägypten entführt. Das gab der 41-Jährige nach knapp neunmonatigem Prozess endlich zu. Zuvor hatte er behauptet, die Mutter habe die Kinder versteckt. Das Geständnis in letzter Minute sollte ihn vor einer noch höheren Strafe bewahren. Den Eindruck von Reue aber hinterließ er nicht. „Die Kinder waren bis Mitte 2002 in Ägypten“, sagte der Vater. Danach seien sie zu einer Frau gekommen, mit der er nach islamischem Recht verheiratet sei. Diese lebe mit den Kindern in Bahrain am Persischen Golf. Wo genau, weiß der Vater angeblich nicht.

Das Berliner Landgericht war davon überzeugt, dass der Ägypter mit deutschem Pass seine Kinder aus gekränktem Ehrgefühl und Stolz in sein Heimatland entführt hat. Nachdem die Mutter das alleinige Sorgerecht bekommen hatte, habe er beschlossen, die Erziehung der Kinder nach seinen Werten zu übernehmen. Zudem sei er – übrigens völlig unbegründet – davon ausgegangen, Helen S. lebe in einer neuen Beziehung. Mahmoud A. habe anderen „unendliches Leid“ zugefügt, sagte die Richterin. Dem früheren Mitarbeiter der ägyptischen Botschaft wurde deshalb auferlegt, der Mutter ein Schmerzensgeld von 50 000 Euro zu zahlen.

Der Strafrahmen für die Kindesentziehung ins Ausland liegt in der Höhe eines einfachen Diebstahls: Geldstrafe oder Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren. Die Richter appellierten angesichts des dramatischen Falles an den Gesetzgeber, hier etwas zu ändern. Helen S. aber war die Strafhöhe egal. Sie will nur ihre Kinder. Sie hatte das Auswärtige Amt eingeschaltet, Anwälte und einen Privatdetektiv beauftragt. „Ich werde die Hoffnung nicht aufgeben“, sagte sie mit Tränen in den Augen nach dem Urteil.

Kerstin Gehrke

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