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Berlin: Von guten Geistern verlassen

Aus der Traum: Nach gut einem Jahr macht das neue Hansa-Theater dicht Seit 1888 war das Haus in Moabit ein Ort volkstümlicher Kultur

„Moabit lebt“ - der verheißungsvolle Satz fand sich auch gestern noch auf den Internetseiten des Hansa-Theaters in Moabit. Er mag stimmen, nur das Theater selbst ist an dem Leben nicht mehr beteiligt: Gestern gab das Theater die sofortige Einstellung seines Spielbetriebes bekannt.

Das Haus habe nicht in die Gewinnzone geführt werden können, „trotz steigender Publikumszahlen und überregional beachteter Premieren“ – so lautete die dürre Mitteilung aus dem traditionsreichen Haus in der Straße Alt-Moabit. Bei einer Auslastung von unter 50 Prozent und keiner Aussicht auf Besserung sei nur dieser Weg geblieben. Durch den Antrag auf Privatinsolvenz übernehme Betreiber Christian Alexander Schnell „die vollständige persönliche Verantwortung“.

Schnell hatte das leerstehende Theater mit Geschäftspartner Sven-Eric Archut am 14. August 2004 wiedereröffnet, der Name war damals um den modischen Zusatz HT 21 ergänzt worden. „Modernes Metropolentheater“ war das ambitionierte Ziel, das man mit einem Evelyn-Künnecke-Programm der „Wa(h)re Liebe“-Ikone Lilo Wanders, der Uraufführung eines Curth-Flatow-Stückes oder der Eröffnungsproduktion „Von allen guten Geistern verlassen“ mit Sissi Perlinger zu erreichen hoffte. Im August 2005 konnte man immerhin auf 40 000 Zuschauer für die vorige Spielzeit zurückblicken, in der aktuellen setzte man auf populäres Musiktheater, auf das Knef-Musical „Der geschenkte Gaul“, Abende mit Angelika Milster oder auf Tony Marshall, der im Februar als Milchmann Tevje in „Anatevka“ auftreten sollte. Nur ist ihm die Milch nun vorzeitig sauer geworden.

Die Theaterpleite bedeutet wieder einmal das Aus für einen seit 1888 bestehenden Ort bodenständiger Kultur. Damals eröffnete die Berliner Kronenbrauerei einen Saalbau für Geselligkeit und Bierkonsum, daraus wurde bald schon das Stadttheater Moabit. 1923 folgte eine Zeit als Kino. Theater wurde in dem Haus seit 1963 wieder gespielt. Paul Esser gründete sein Schauspielhaus Hansa damals ohne finanzielle Unterstützung des Senats, erst elf Jahre später erhielt es den volkstümlichen Namen Hansa-Theater. Das volksnahe Programm war überaus erfolgreich, auch unter Essers Nachfolger Horst Niendorf spielten Bühnenstars wie Brigitte Mira, Edith Hancke oder Harald Juhnke.Danach wechselte die Leitung mehrfach, das Theater begann sein Publikum zu verlieren, und auch der öffentliche Zuschuss, den das Hansa-Theater mittlerweile doch bekam, wurde 2002 gestrichen, was das Aus bedeutete. Nachdem nun auch der neue Versuch, das Haus für Moabit und Berlin zu erhalten, gescheitert ist, wird sich ein neuer Betreiber wohl nur sehr schwer finden lassen.

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