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Berlin: Von Loriot nach Westfalen entführt

Vicco von Bülows Erläuterungen zu „Candide“ folgte ein Souper in der Französischen Botschaft

Nach dem umjubelten Philharmonie-Auftritt von Loriot als Erzähler im „Candide“ gibt es noch einmal Beifall, als er am Sonntag kurz nach Mitternacht zum Souper mit 160 Gästen in der Französischen Botschaft eintrifft. 81-jährig bringt der Komiker immer noch Spitzenpolitiker und Fernsehstars zum Schwärmen. „Ja, es war ein richtig schöner Abend“, sagt Angela Merkel entspannt. In der Philharmonie war sie zuvor in vergnügtes Gelächter ausgebrochen, ein ungewöhnlicher Anblick.

In der ersten Reihe saß auch Bundespräsident Horst Köhler mit Frau Eva Luise, dahinter der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit neben der Schauspielerin Evelyn Hamann. Dass sie beim Essen in der Botschaft neben Loriot sitzen darf, betrachtet Iris Berben, die sich auch als Fan bekennt, als „das schönste Kompliment“. Wie viele andere hat Günther Jauch den „Candide“ hier zum ersten Mal gesehen. Gegen zwei Uhr morgens wartet er mit seiner Frau geduldig in der Abschiedsschlange, um Loriot mal wieder zu sich nach Hause einzuladen. Die Kerzen auf den langen Tafeln sind da fast niedergebrannt, hinter den Fenstern liegt der Pariser Platz in nächtlicher Ruhe.

Die musikalische Satire von Leonard Bernstein, die 1956 nach der Vorlage von Voltaire entstand, schreit geradezu nach erklärenden Texten, weil Totgesagte immer wieder neu an überraschenden Orten auftauchen. Die Handlung spielt unter anderem in Venedig, Südamerika und Westfalen, das Voltaire, wie Loriot sagte, „irgendwo in der Nähe Bulgariens vermutete“. Über diese kühne These wird beim Souper kenntnisreich diskutiert. Die Frage, wo denn nun die beste aller Welten ist, kann dabei nicht abschließend geklärt werden: „Darauf gibt auch der Laienchor von San Marco keine Antwort“, hatte Loriot schon vorab gewarnt. Eins steht für ihn fest, das sagt er nach dem Dessert: „Aus diesem Stück geht man anders heraus, als man hineingegangen ist.“ Die minutenlangen stehenden Ovationen, die das Publikum dem Maestro der feinen Opern-Ironisierung darbrachte, wurden angeführt vom Bundespräsidenten, der als Erster aufsprang.

Zum Auftakt des Soupers gibt es Linsensuppe mit pochierter Poularde. Claude Martin, der französische Botschafter, erzählt sehr charmant von seinen komplizierten Recherchen in Paris und Oxford nach dem Lieblingsgericht Voltaires. Die Materiallage ist eher spärlich, immerhin gab es Hinweise auf die Linsen, „die bedeuten auch Kraft“. Unter den Gästen sind auch solche, die im Rahmen einer neuen Reihe mit Kultur-Specials bei Isa Gräfin von Hardenberg die Teilnahme am VIP-Empfang erstmals wie eine Reise gebucht hatten. Die Erfinderin selbst war auf einer Kreuzfahrt gestrandet und konnte nicht rechtzeitig zurückkommen. Dadurch verpasste sie etwas Einmaliges. Loriot hat diese Inszenierung zwar in München schon häufiger auf die Bühne gebracht, aber am Sonntag zum ersten und möglicherweise einzigen Mal in Berlin. Für alle, die das mit Bedauern verpasst haben, wird es demnächst eine CD von dem Auftritt geben.

Vielleicht hat er ja schon wieder Pläne für etwas ganz Neues? „Ach“, sagt Loriot zurückhaltend zwischen zwei Huldigungen Abschied nehmender Stars. „Eigentlich müsste ich doch schon seit zwanzig Jahren pensioniert sein.“ Aber seine Augen lachen. Ein unhörbares „Vielleicht“ ist glücklicherweise fester Bestandteil von Loriots letzten Malen.

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