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Von Tag zu Tag: Abgetaut

Gunda Bartels schreibt einen Liebesbrief an einen Kühlschrank

Lieber Kühlschrank, wie schön, dass es Dich gibt! Seitdem Du bei uns im zweiten Stock stehst, weiß ich, dass ich was ganz Besonderes bin. Niemand sonst hat einen Kühlschrank im Treppenhaus. Alle haben ihren wie ich in der Küche. Vier Wochen bist Du jetzt schon da. Und zuerst – verzeih mir – fand ich Dich eher hinderlich. Sogar beschimpft habe ich Dich. Doofer Kühlschrank, was willst Du im Flur? Ist zwar Neukölln hier, aber muss es auch so aussehen? Doch je länger ich mich an Deiner stattlichen Gestalt vorbeiquetschte, desto näher kamst Du mir. Vergangenen Montag endlich fingst Du an, Dich mitzuteilen. Ein Zettel hing an Dir: „Hier ist euer Hausflurkühlschrank. Verzeiht, dass ich so lange hier gestanden habe. Ich wollte schon längst weg sein, aber meine Besitzerin hatte viel Pech in letzter Zeit. Aber Mittwoch werde ich abgeholt.“ War das ein Schock. Du wolltest weg von mir? Und Deine Besitzerin – ist das die Pech-Marie? Der Mittwoch kam, mein Herz, das bebte. Abends dann Erleichterung, Du warst noch da. Doch so allein. Jetzt ist wieder Montag, Du bist noch da. Heute Abend klingele ich bei Marie. Dann feiern wir mit Dir ihr Pech weg und stellen im Haus alle Kühlschränke raus.

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