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Von Tag zu Tag: Annäherung

Christian van Lessen hat die BVG in bester Erinnerung behalten.

Nun macht die BVG bald, was sie tun muss: fahren und rollen. Grimmig haben die Berliner bewiesen, dass sie auch ohne BVG können. Damit die Annäherung der Fahrgäste an den Verkehrsbetrieb nach langer Entfremdungsphase gelingt, bedarf es wohl einiger Erinnerungshilfen. So ist in Bussen der Einstieg vorn, Doppeldecker werden „Große Gelbe“ genannt, neuere Touristen haben das Gelb im Stadtbild nur als Postkartenmotiv kennengelernt. Haltestellen, sofern nicht verkrautet, sind mit einem H gekennzeichnet, es hängen Fahrpläne mit sogenannten Abfahrtzeiten aus. Der Preis für die normale Einzelfahrt beträgt noch immer 2,10 Euro, es könnte sein, dass Busfahrer die Preise nicht mehr im Kopf haben und zur Unterstützung ihrer tariflichen Forderungen mehr verlangen. Fast vergessene Ansagen wie „Zur Weiterfahrt auf der Stammstrecke bitte hier aussteigen“ oder Worte wie Pendel- und Schienenersatzverkehr rücken wieder in den Sprachschatz der Fahrgäste. Die Scheiben der Busse und Bahnen dürften sich weiterhin kunstvoll zerkratzt und schwer durchschaubar präsentieren. Möglich, dass durch langen Aufenthalt auf Höfen und Abstellgleisen noch mehr Krakelkratzerkunst dazugekommen ist, wie auch auf stillgelegten Bahnhöfen. Nun rollt die BVG langsam wieder an, und mit ihr ziehen dann die Verkäufer der Obdachlosenzeitungen durch die Züge, die Musikanten, die lautstarken Telefonierer, die jede Fahrt für alle Beteiligten zum kommunikativen Erlebnis machen. Die Entzugserscheinungen sind milde, die Annäherung aber wird gelingen. Nur ein bisschen Gewöhnungszeit nach fast zwei Wochen – die darf in dieser Beziehungskrise wohl sein.

Christian van Lessen

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