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Von Tag zu Tag: Asozial

Thomas Lackmann würde gerne mal mit Frau und Kindern Taxi fahren.

Was bisher geschah: Der Charlottenburger Familienvater war, nachdem einige Droschkenkutscher ihn und seine Familie am Flughafen Tegel mehrfach bei Nacht wegen fehlender Kindersitze oder zu viel Gepäck abgewiesen, wegen der kurzen Beförderungsstrecke (Endpreis: 15 €) angepampt oder auch im Regen stehen gelassen hatten, den uncoolen Denunziationsweg gegangen. Nach mehreren entwürdigenden Telefonaten, einer ausführlichen Beschwerde-Mail an die Aufsichtsbehörde und zwei Monaten Bearbeitungszeit wird ihm der ermutigende Bescheid zugestellt, man habe den pflichtvergessenen Fahrer zurechtgewiesen. Doch bei der nächsten Familienankunft in Tegel (23:05 Uhr) verlässt ihn der Mut wieder. Die Familie entscheidet sich für die teure, diplomatische Lösung: Getrennt fahren, dann werden wir kinderreichen Asozialen nicht schlecht behandelt.

Der erste Teil der Familie (Mutter, zwei Kinder) eilt mit dem Handgepäck zum nächsten Taxi und startet. Der – zufällig – türkischstämmige Taxifahrer verhält sich anfangs korrekt, rastet dann aber wegen diverser Überholmanöver und diskriminierender Ampelphasen aus; schimpft schließlich per Funk ausgiebig über die kurze Beförderungsstrecke (Endpreis: 15 €), streicht das unbedacht ausgeschüttete, satte Trinkgeld ein, schnauzt die Fahrgäste wegen eines Sicherheitsgurtes an, der ins Türschloss gerät, und stellt das Gepäck in eine Pfütze. Alles in allem: für Berlin eigentlich o.k.

Der andere Teil der Familie (Vater) wartet am Gepäckband, erträgt beim Einsammeln diverser Koffer und der Kindersitze im Ikeabeutel spöttische Blicke und schiebt das Konvolut auf dem Trolley zum Taxistand. Der nächstbeste Fahrer – zufällig radebrechend – schaut ihm, nachdem das Gepäck verstaut wurde, irritiert entgegen: „Wo bleibt die Familie?“ Der Vater erzählt, dass man sich nicht getraut habe, wieder ein Konfliktrisiko einzugehen. Worauf sich ein Schwall familienfreundlicher Bekundungen über ihn ergießt.

Er fahre seit 20 Jahren hier Taxi, sagt der liebenswürdigste aller Chauffeure, heute habe er erst spät angefangen, weil er noch so lange mit den Seinen zusammengesessen sei. Manche Kollegen müssten immer jammern, aber er glaube an das alte jüdische Sprichwort: Wenn du es hier nicht schaffst, schaffst du es nirgendwo. Während der Vater grübelt, ob da Frank Sinatra irgendwie falsch übersetzt wurde, hat der liebenswürdigste aller Chauffeure den Rest der Strecke wunderbar schweigend zurückgelegt, beim Kassieren des bescheidenen Trinkgelds dankbar vorgeschlagen, die Quittung gleich noch mal auszustellen, die gefühlten zehn Gepäckklötze zur Haustür gewuchtet und ist frohgemut davongerollt. Fortsetzung folgt.

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