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Von Tag zu Tag: Außer der Zeit

Andreas Conrad möchte weder zu früh noch zu spät schweigen

Immer zum Jahreswechsel muss mancher sich eingestehen, dass seine Armbanduhr mal wieder dringend überprüft werden sollte. Noch zählt er laut die letzten Sekunden des alten Jahres, da lässt sein Nachbar längst die Silvesterraketen gen Himmel zischen – oder umgekehrt. Und dabei ist doch gerade die Synchronisierung großer Momente die Vorbedingung erhabener gemeinschaftlicher Gefühle. Drei Minuten Verzögerung können da schon eine kleine Ewigkeit bedeuten. Vom Frühstart ganz zu schweigen. Drei Minuten waren es aber, die das Gedenkzeremoniell an der Bernauer Straße dem lang ausgetüftelten Zeitplan voraus war. Drei Minuten Schweigen also, während ringsum die ganze Stadt noch quasselte, um dann ihrerseits wie geplant exakt zur Mittagsstunde halbwegs in Stille zu verfallen. So war immerhin die an der Gedenkstätte versammelte politische Spitze tatsächlich einmal führend, der Mehrheit des Volkes um genau drei Minuten voraus, und ihr Schweigen wurde sogar gekrönt von minutenlangem Glockengeläut.

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