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"Berlin, Berlin, wie bist du schön geworden", wunderte sich Friedrich Hollaender schon in den 1920er-Jahren.

© dpa/picture-alliance/Röhnert

Von Tag zu Tag: Berlin war schon immer arm und schön

Berlin blüht auf, wenn es sich auf seine Zeit als Weltstadt mit der ersten Biene-Maja-Verfilmung in den "Roaring Twenties" zurückbesinnt. Das findet zumindest unser Autor in seiner Glosse.

Weil sich diese Stadt nach der Olympia-Klatsche am eigenen Turnschuh aus dem Depri-Sumpf ziehen muss, ist Rückbesinnung auf erfolgreiche Identätskonzepte angesagt. Keine Berliner Epoche wird so erfolgreich verklärt wie die sogenannten „Roaring Twenties“! Das  ermutigt uns, von Anno dazumal Optimismus zu lernen: Heute untersuchen wir zu diesem Zweck Friedrich Hollaenders Song „Berlin, Berlin, wie bist du schön geworden“, einen Beitrag für den „Berliner Bilderbogen“, der 1926 unter dem Titel „Darüber lässt sich reden“ an der Volksbühne aufgeblättert wurde.

Berolinas Attraktivität rühmt in diesem heiteren Frühlingslied ein Tourist, der aus dem Land kommt, „wo die Zwiebeln blühn“, aber die deutsche Hauptstadt bewundert: „Wie stehst du heute da in vollem Sonnenschein, wie warst du vor fünf Jahren arm und öd. Heut brüllen Autos und die Lichtreklamen schrein. Man wird taub, man wird blind, man wird blöd.“ Das muss man nicht negativ verstehen. „Wie bist du schön geworden!“ schwärmt (der) Holländer mit dem nächsten Atemzug: „Berlin, Berlin! Und hast du auch kein Geld! Berlin, Berlin! Im Westen, Osten, Norden! Bist du ’ne Weltstadt, bist die Stadt der Welt!

Der Zoo als Filmstudio

An diesem Punkt der Rückschau gilt es, innezuhalten. Weniger um den übergangenen Berliner Süden zu trösten, aber um zumindest zu verstehen, was da 1926 weltstädtischer funktioniert hat als in unserer kleinkarierten Gegenwart: So stoßen wir in der Jahreschronik am 8. April 1926 auf die Berliner Erstaufführung des Natur- und Kulturfilms „Die Biene Maja und ihre Abenteuer“. Inszeniert worden war das Werk in einem speziell konstruierten Terrarium des Berliner Zoos. Anders als in der Maja-Serie aus den 1970er Jahren standen für die Erstverfilmung des Stoffes leibhaftige Bienen, Hornissen, Mist-, Rosen- und Nashornkäfer, Heuschrecken, Ameisen, Libellen, Schlangen, Spinnen, Hasen, Igel, Frösche, Eulen,  Regenwürmer, Glühwürmchen, Raupen, Asseln,  Maikäfer, Schmeißfliegen, Amseln, Elfen und zwei Menschen vor der Kamera. 

Weltstadt ist, wenn man weder Mühe noch Kosten scheut

Schwierig wurde es am Set, als die Hauptdarstellerin sich weigerte, der bösen Spinne ins Netz zu gehen, weshalb schließlich (Achtung, Tierschutz!) eine Betäubung der Diva nicht zu vermeiden war. Für die Schlacht zwischen Bienen und Hornissen musste sogar extra ein an Scheinwerfer gewohnter Hornissenstamm gezüchtet und ausgehungert werden. Weltstadt ist, wenn man weder Mühe noch Kosten scheut.

Die Welturaufführung der 74minütigen, von Kritikern umjubelten, beim Publikum gefloppten Märchenbuchadaption mit Zwischentiteln und dramatischer Live-Musik hatte sich damals allerdings die Elbmetropole Dresden geschnappt, obwohl Berlins Kino-Infrastruktur durchaus respektabel schien, was unser Chanson-Text zu würdigen weiß: „Für jeden neuen Film wird ein Palast gebaut, mit ’ner Orgel und mit Saxophon …“

Oder war das spöttisch gemeint? Ach, jeder Kenner weiß, dass unsere Weltstadt einerseits aus vielen Kiez-Terrarien besteht; andererseits ist der Entertainer Hollaender seinerzeit mit mancher spitzen Formulierung sicher zu weit gegangen. Seine Polemik „Berlin, Berlin! Wie bist du schön geworden! Selbst deine Frauen sehn wie Männer aus!“ dürfte ihn heutzutage, schwups, auf die Abschussliste der Geschichtsoptimierer katapultieren, trotz Emigranten-Bonus. Insofern steht eine Umtaufe des Wilmersdorfer Friedrich-Hollaender-Platzes bald an, Biene-Maja-Wiese wäre schon `ne jute Alternative. (Fortsetzung folgt)

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