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Von Tag zu Tag: Gedankenspüle

Stefan Jacobs bringt seine Schäfchen aus dem Grundwasser ins Trockene.

Schlimm genug, dass Berlin nicht flüssig ist. Jetzt säuft es auch noch ab. Wovon bisher vor allem Hausbesitzer von Rudow bis Kaulsdorf ein garstig Lied singen konnten, das schlägt nun Wellen: Grundwasser. Die Zahl der Einbrüche steigt. Es drückt nun auch massiv ins Rote Rathaus, gluckert ins Bundesratsgebäude, quillt durch die Ritzen in Gerichte und Finanzämter sowie in Polizeidienststellen. Da es sich nicht um die Wasserschutzpolizei handelt, bleibt die Lage bis zur Erfindung kugelsicherer Schwimmwesten ernst. „Vor Gericht“ und „auf hoher See“ könnten bald dasselbe sein. War früher unter dem Pflaster der Strand, wird es künftig die Schleusenkammer unter der Länderkammer sein. Ums Finanzamt muss man sich wohl am wenigsten sorgen, denn wer Steuern kann, kann sicher auch Kapitän. Außerdem kennen sie sich da aus mit Leuten, die in den Nassen sind. Beunruhigender ist, dass auch das Konzerthaus am Gendarmenmarkt betroffen ist, wo die Kapelle eines Tages Händels Wassermusik spielen wird, wenn sich schon alles zur Seite neigt und die samtbeschlagenen Stühle achtern …

Momentchen mal: Wo ist eigentlich Klaus Wowereit?

Böse Zungen behaupten, er schöpfe statt seiner Potenziale neuerdings öfter den Rathauskeller aus, aber das ist natürlich Quatsch: Über seinem Amtszimmer im ersten Stock befinden sich zwei weitere wetterfeste Etagen, und notfalls bliebe noch der Turm, bei dem das Ende der Fahnenstange erst in 94 Meter Höhe erreicht ist. So hoch stand das Wasser nicht mal im Hollywoodschinken „The day after tomorrow“.

Dass die Angelegenheit noch nicht zur Chefsache erklärt worden ist, steigert erfahrungsgemäß die Chancen, dass sie jemand anpackt. Nur: Wie soll man ein Problem lösen, wenn es sich dabei um Wasser handelt?, mögen Chemiker einwenden, die in ihrem Leben schon alles gelöst und manches herauskristallisiert haben.

Aber der Finanzsenator hat immerhin eine Idee: Berlin solle einfach den Fluthilfefonds des Bundes anzapfen, schlägt Ulrich Naßbaum Nußbaum vor. Da das Problem in Berlin von unten kommt und sich seit etwa 20 Jahren abgezeichnet hat, kann man Nußbaums Vorschlag durchaus extravagant finden. Aber einen Versuch mag es wert sein. Nur hilft Geld allein gegen den Kummer praktisch nicht, weil selbst ein großer Schein nicht halb so saugfähig ist wie ein Blatt Küchenrolle. Dauerhafte Abhilfe böte ein langfristig höherer Wasserverbrauch. Denn das Grundwasser steigt, weil sich der Bedarf der Stadt – und damit die Fördermenge der Wasserwerke – seit der Wende halbiert hat. Echte Lokalpatrioten gehen also schon bei halb voller Blase auf Toilette, wählen bei der Waschmaschine „extra spülen“ und duschen nach jeder Mahlzeit. Und Nußbaum verlagert sein Fisch-Imperium von Bremen in die Hauptstadt. Das Wasser für die Aufzuchtteiche gibt’s frei Haus direkt aus dem Rathauskeller.

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