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Von Tag zu Tag: Kreuz und Korn

Gerd Nowakowski trauert Zeiten nach, als es bei Wahlen noch zur Sache ging

Wählen ist heute eine nüchterne Angelegenheit; ganz anders war das früher, als das Wahllokal eine Örtlichkeit war, die ihrem Namen gerecht wurde. Als die Eckkneipe in Berlin noch allgegenwärtig war, stand der Wirt schon mit einer Molle bereit, wenn die geneigten Wähler das Etablissement betraten. Nun gut, es ging zuweilen hoch her, wenn die Ergebnisse nicht ganz so ausfielen, wie es sich die Wahlbeobachter im Schankraum vorstellten. Pöbeleien, Handgreiflichkeiten, gar lautstarke Wahlbeeinflussungen und Polizeieinsätze gab es durchaus; weil man das dem Souverän nicht länger zumuten wollte, ist das Wahllokal mit angeschlossenem Zapfhahn heute kaum noch anzutreffen. Was angesichts der Debatte um Alkoholmissbrauch unter Jugendlichen in Hinblick auf die Erstwähler wohl nicht ganz falsch ist. Die Jungwähler findet man dafür immer häufiger hinter der Urne – als Wahlhelfer, zusammen mit ihren Lehrern. Das hilft der staatsbürgerlichen Wertebildung ungemein und kann gar nicht hoch genug gelobt werden. Nur eines ist bedauerlich: Im Wahllokal konnte man auf der Stelle zur Tat schreiten, wenn einen das Wahlergebnis in eine Katerstimmung stürzte.

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