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Von Tag zu Tag: Ohne Worte

Christian Hönicke lobt den vorbildlichen Schallschutz der S-Bahn.

Von Christian Hönicke

Schon länger frage ich mich, warum sich der öde Anhalter Bahnhof bei Touristen so großer Beliebtheit erfreut. Seit Donnerstag habe ich eine Ahnung. Hier entsteht etwas Einzigartiges.

Wer an Berliner S-Bahnhöfen wohnt, braucht starke Nerven. Nicht mehr nur wegen der Züge, sondern wegen der lauten Ansagen, die erklären, warum sie nicht fahren. Das bringt manche Anwohner um den Schlaf und gegen die S-Bahn auf. Als Wiedergutmachung startete Donnerstagabend am Anhalter Bahnhof eine Flüsteroffensive. Man verzichtete darauf, den Pendelverkehr per Lautsprecher anzukündigen. Auch Hinweisschilder gab es nicht, das Aufstellen hätte wohl zu viel Krach gemacht. So fuhren die verdutzten Fahrgäste erst mal in die falsche Richtung zur Yorckstraße. Aber das nahm man gern in Kauf, schließlich sollten die Menschen in den angrenzenden Hotels nicht geweckt werden. Schön leise war auch der Fahrer, der dem irrenden Pendlerstrom bei der Rückkehr zum Anhalter wortlos die Türen vor der Nase schloss. Wenn man nun noch das Losfahren unterbindet, das ja den meisten Krach macht, ist der Anhalter bald eine echte Attraktion: als erster geräuschfreier Bahnhof der Welt.

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