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Von Tag zu Tag: Potzblitz

Gunda Bartels fürchtet höhere Mächte.

Schon lustig, wie der Gewittersommer aufgeklärte Großstädter Demut lehrt. Oder was hat es sonst zu bedeuten, wenn rationale Mitteleuropäer aufgrund eines physikalischen Phänomens nachts ruhelos durch ihre puristisch eingerichtete Wohnung schnüren und plötzlich wieder etwas anderes fürchten als Geldentwertung und ihre wenigen vom Therapeuten nicht erwischten Alpträume? Dieses Gleißen, dieses Grollen, dieses Krachen, dieses Schaudern, dieses Staunen, diese Ahs und Ohs von den Balkonen, diese Stille nach dem Rumms. Alte, längst vergess’ne Fragen, drängen, ach, aus der verstörten Brust. Gibt es einen Blitzableiter? Sind die Buchen aufzusuchen? Wo, ja wo, sind Sicherungen? Ist der Notkoffer gepackt? In Kindertagen war er es. Da rüttelte die Mutter auf dem Heidebauernhofe die schlaftrunkenen Kinder in den Gewitternächten wach. Stumpf schlafen, wenn der entfesselte Himmel wütet? Wie bräsig ist denn das? Stattdessen hieß es: Anziehen, in der Stube hocken, die Kerzen auf dem Tisch, den Notkoffer darunter, Gott und Naturgewalten fürchten, ängstlich sein und fasziniert zugleich. So ist es plötzlich wieder, nur der Koffer bleibt im Schrank. (Seite 11)

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