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Von Tag zu Tag: Unter Geiern

Andreas Conrad möchte den „Freischütz“ lieber ohne Vogel sehen.

Der Geier gilt nicht als sympathischer Vogel. Gewiss, besonders auf glänzenden Lack versessene Autofahrer fürchten sich vor einem kräftigen Möwenschiss, der gerade an Gewässern wie dem Müggelsee droht. Der Spatz wird gern mit Dreck in Verbindung gebracht, und manch einer hat die romantische Anwandlung verflucht, die ihn im Abenddämmer verleitete, unter einem Krähenschlafbaum zu verharren. Die Abneigung gegenüber Geiern aber geht tiefer, zielt auf den Geldbeutel und damit ins Mark: Pleite, dein Name sei Geier! Gerade Berlin, bis auf Weiteres verdammt knapp bei Kasse, gewohnt ans Leben auf Pump, muss auf solch einen symbolhaften Vogel allergisch reagieren, daher kann die neueste Nachricht aus Erfurt keinen in dieser Stadt gleichgültig lassen: Dominique Horwitz hat dort beim Debüt als Opernregisseur im „Freischütz“ einen lebenden Gänsegeier auftreten lassen – als Totengott. Ausgerechnet „Der Freischütz“! Auf immer und ewig mit Berlin verbunden, seit er am 18. Juni 1821 im Schauspielhaus am Gendarmenmarkt seinen Siegeszug begann. Zumindest indirekt hat die Opernszene Berlin also einen Geier zu verdanken. Hoffen wir, dass es keine Pleite gibt.

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