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Von Tag zu Tag: Unvergessene

Werner van Bebber wundert sich über einen Zahlenstreit

Man kann darüber streiten, wie viele Menschen an der Berliner Mauer ums Leben kamen. Der Streit muss offenbar sein: Das Zentrum für zeithistorische Forschung in Potsdam legt andere, vorsichtigere Kriterien für die Todesursache Mauer an als Alexandra Hildebrandt, die Chefin des Mauermuseums. Zu ihrem Rechercheansatz gehört ein etwas fragwürdiges Verständnis von Ursache und Wirkung. Die streitbare Chefin des Mauermuseums begründet ihren Ansatz damit, dass jedes Opfer der Teilung benannt werden soll. Denn niemand soll vergessen sein. Das ist eigentlich ehrenhaft genug – man fragt sich, warum Hildebrandt es nötig hat, die Potsdamer Forschungen als „irreführend“ zu bezeichnen. Das sind sie nicht. Wer sich mit der Liste der nur 133 Berliner Mauertoten befasst, begibt sich im Kopf wieder in den Schlagschatten des Bauwerks: Menschen, die vor 46 Jahren in den Tod sprangen. Menschen, die erfindungsreich ihre Flucht planten und verunglückten. 133 Mauertote? Oder 231 Berliner Opfer der Grenzanlagen, wie Hildebrandt meint? Jeder einzelne kleine Lebenslauf sagt mehr über die Monstrosität der Mauer als eine Zahl.

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