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Von Tag zu Tag: Wie Weihnachten

Andreas Conrad freut sich über den Nadelwald am Straßenrand

Unablässiges Feiern unterm geschmückten Tannenbaum, Lichterglanz tagein, tagaus vermögen Familien schon an den Rand des Zerfalls zu bringen, Heinrich Böll hat es in „Nicht nur zur Weihnachtszeit“ ein für allemal gezeigt. Fürs Gemeinwesen ist es daher nur zu begrüßen, dass die Stadtreinigung jetzt wieder wie jedes Jahr die nadelnden Feinde des innerfamiliären Friedens zuverlässig entsorgt. Ohnehin ist der Irrsinn alltäglichen Heiligabendfeierns nur wenig verbreitet, die Mehrheit kann doch ihre kahlen Baumgerippe nicht mehr sehen. Andererseits: Muss es gerade in dieser Woche sein, die das Ideal einer weißen Weihnacht fast perfekt erfüllt? Mit dem einzigen Mangel, dass eben gerade nicht Weihnachten ist. Aber dieser Tannenwald, der nun mit tiefverschneiten Wipfeln am Straßenrand plötzlich in die Höhe geschossen ist, die Bäume oftmals senkrecht in die weißen Hügel gerammt und nicht wie gewohnt achtlos in den Straßendreck geworfen – hat das nicht etwas zutiefst Romantisches, das Herz erwärmend trotz aller Minusgrade? Plötzlich fühlt man sich nicht wie im Bayerischen Viertel, sondern wie im Bayerischen Wald – ein Gratisvergnügen, für das andere derzeit viel Geld bezahlen.

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