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Von Tag zu Tag: Wir sind so frei

Andreas Conrad wünscht sich einen täglichen Berlin-Marathon

Dem Philosophen Karl Popper, den übrigens Altbundeskanzler Helmut Schmidt ganz besonders mag, erschien das Modell der offenen Gesellschaft mit kleingeteilter staatlicher Macht und viel demokratischer Kontrolle als besonders erstrebenswert – das Gegenstück zum Teufelswerk des Totalitarismus. Von Letzterem sind wir denkbar weit entfernt, und Poppers Ideal nähern wir uns gerade an einem Marathon-Tag wie gestern erfreulich weit an: Der Staat weitgehend auf die Funktion der Verkehrslenkung beschränkt, und das Volk läuft fröhlich in eine Richtung, ohne dass die Individualität der Teilnehmer dadurch Einbußen erlitte. Oder es läuft eben nicht, auch das steht ihm frei, und so wird solch eine Lauf- und Schaubewegung zum Kaleidoskop menschlicher Vielfalt, wie etwa bereits morgens um acht in den Waggons der U1 durch Kreuzberg zu beobachten war: Auf der einen Seite die zugedröhnten und leergetanzten Nachteulen, lallend bis bleischwer, auf der anderen die tatendurstigen Marathonis, süchtig allenfalls nach den bei Kilometer 42,195 lockenden Endorphinen. Ein jeder solle nach seiner Façon selig werden, das fand schon der Alte Fritz, wenngleich sein Preußen nun wirklich nicht à la Popper war.

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