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Von Tag zu Tag: Zum Gruseln

Christian van Lessen hat Geister der Vergangenheit gesehen

Es war gruselig. Zwei Tage lang rollten Mannschaftswagen der Wehrmacht durch Berlins Mitte. Wer sie sah, diese jungen Soldaten mit den „alten“ Kurzfrisuren unterm Stahlhelm, die Gewehre hörte, mit denen die graugrün Uniformierten rhythmisch auf die Wagenböden trommelten, konnte es mit der Angst bekommen. Wer die Kradfahrer herumkurven, die Gestapo-Leute am Straßenrand schlendern sah, die Flakgeschütze – der bekam hautnah mit, wie furchteinflößend und menschenverachtend die Nazizeit schon äußerlich wirkte. Das einstige Reichsluftfahrtministerium, im Original erhalten und als Bundesfinanzministerium genutzt, die Hakenkreuzfahnen davor, der Hals schnürte sich zu, weil alles so beunruhigend echt wirkte zwischen Wilhelm- und Leipziger Straße. Eine gespenstische Zeitreise ins Jahr 1944, vor Mauerresten, der Topografie des Terrors und dem modernen Berlin am Potsdamer Platz. Eine „Historiale“ auf engstem Raum. Beängstigend und beruhigend: nur ein Film. Nachmittags demonstrieren dann 100 Nazis in der Nähe. Kein Film. Es ist gruselig.

Christian van Lessen

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