zum Hauptinhalt
Im Grünen: So sieht's in der "Alten Überfahrt" auf der Insel Werder aus. Aber draußen gibt es noch einen Garten und einen Badestrand.

© Bernd Matthies

Von TISCH zu TISCH: Alte Überfahrt

Havel hinter Potsdam, hat ein Image-Problem. Weil hier nun mal ein historisches Zentrum des Obstbaus liegt, wird dieser Obstbau gern auch gefeiert – und damit ist Werder zur Stadt mit dem Baumblütenfest geworden, bei dem es Obstwein gibt, bis der Notarzt kommt.

Havel hinter Potsdam, hat ein Image-Problem. Weil hier nun mal ein historisches Zentrum des Obstbaus liegt, wird dieser Obstbau gern auch gefeiert – und damit ist Werder zur Stadt mit dem Baumblütenfest geworden, bei dem es Obstwein gibt, bis der Notarzt kommt. Mir ist das egal, aber es verdeckt in der Wirkung nach außen, wie schön es dort eigentlich ohne Halligalli ist. Vor allem die Insel, also die Altstadt mit der neogotischen Heiliggeistkirche und der Windmühle, ist in den letzten Jahren so proper saniert worden, dass die hässliche Aura des Verfalls der DDR-Zeit kaum noch spürbar ist. Allerdings müsste jetzt noch ein wenig mehr für hungrige Besucher getan werden, die bisher meist nur durchradeln im Schutz sorgfältig gepackter Picknickkörbe. Ein nettes Hotel in bester Lage an der Uferpromenade gibt es, das „Prinz Heinrich“ – und unten drin seit ein paar Wochen das Restaurant „Alte Überfahrt“, dessen Name daran erinnert, dass hier mal eine Fähre zur Potsdamer Seite übersetzte.

Zwei, die's drauf haben

Den Chef, Patrick Schwatke, kennen die Foodies, weil er in der Küche des Beelitzer „Kochzimmers“ am Michelin-Stern beteiligt war. Hier kocht er nun bislang kaum selbst, weil er kein Servicepersonal findet, aber hinten am Herd steht Thomas Hübner, der auch allerhand zu bieten hat, der im Facil, bei Ducasse und in der Florenzer Enoteca Pinchiorri war und also nicht groß beweisen muss, dass er’s drauf hat. Noch macht er das mehr oder weniger allein, und daraus ergeben sich ein paar Einschränkungen. Das Angebot ist noch sehr klein, ein paar Elemente kehren wieder, und sicher sind dadurch auch die stilistischen Möglichkeiten limitiert. Aber auch das, was schon jetzt auf die schönen Keramikteller kommt, liegt Lichtjahre weg von der hier sonst üblichen Brachialküche und erfreut in jedem Gang, leicht, frisch, meist feinsäuerlich abgestimmt und sensibel gewürzt.

Was fürs Auge, was für die Zunge

Die regionale Verbissenheit hält sich in Grenzen, was ein kleines Häppchen wie die gebeizte Forelle mit Maracuja-Fenchel möglich macht, und in genau dieser Tonlage geht es dann weiter. Unter der Jakobsmuschel mit dem gebackenen Corail liegt beispielsweise ein Spargelragout, das durch eine mit Champagneressig abgeschmeckte Beurre blanc feine Säure bekommt, fürs Auge und ein wenig für die Zunge gibt es gelbe Blüten von Ackersenf. Die kalten Tafelspitz-Scheiben mit Zuckerschoten erhalten gut balancierte Würze von Blutorangen-Gel und Kressecreme, und die klare Fischsuppe („Suppendöschen“) ist mit vielen Gemüsen, Muscheln und Fisch angenehm gehaltvoll bestückt.

Ein Restaurant mit Badestrand

Weiter so? Der confierte, schön feste Kabeljau wird von roten Zwiebeln und dünnen Kohlrabischeiben unterstützt, die in einer sahnigen, mit Estragon und Senf sanft gewürzten Marinade liegen. Und schließlich gibt es perfekt rosa gebratenes Lammrückenfilet mit Shiitakepilzen, grünem Spargel, Auberginenpüree und einer konzentrierten Jus. Man sitzt am Wasser in einem Garten mit kleinem Badestrand oder aber im schlicht und geschmackssicher renovierten Restaurant – und freut sich des Lebens, das solche Überraschungen an unerwarteter Stelle freundlicherweise ermöglicht. Und dann kommt ja auch noch das Dessert, in unserem Fall Rhabarber pochiert und als Eisparfait, dazu Himbeeren nebst Gel, gut angeschärft mit rosa Pfeffer, der mir hier ausnahmsweise nicht penetrant vorkam, weißer Luftschokolade und knusprigen Keksstücken, wunderbar angerichtet (vier Gänge 53,50 Euro, drei Gänge für zwei inkl. einer Flasche Wein 90 Euro, auch à la carte). Sehr kleines, gutes Weinangebot. Bitte: Rennen Sie nicht alle auf einmal hin – das wird garantiert noch viel besser.

- Alte Überfahrt, Fischerstr. 48b, Werder/Havel, Tel. 03327/7313336, Mi-Fr 12-15 (kl. Lunch) u. 18-22, Sa/So 12-22.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false