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Von TISCH zu TISCH: Berlin – St.Moritz

Langustinen und Curry-Quinoa

In diesen wirtschaftlich nicht ganz einfachen Zeiten suchen viele nach einer ganz bestimmten Art Restaurant: Sehr gut, das schon, aber nicht überdreht, und vor allem nicht so schrecklich teuer. Denn ein Abendessen zu zweit im Sternerestaurant, egal wo in Berlin, läuft immer irgendwie auf 300 Euro Minimum hinaus, zu viel für die meisten Gäste. Das ist die Chance für alle Wirte, sich mit einem guten Koch preislich deutlich weiter unten aufzustellen.

In diese Kategorie gehört in Berlin seit Jahren das „Berlin – St.Moritz“, das seinen seltsamen Namen mit Würde trägt, obwohl es dort keine Rösti gibt und (leider) auch keinen Schweizer Wein. Ist halt so. Seit ich das letzte Mal da war und es mäßig begeisternd fand, hat der Küchenchef schon zwei Mal gewechselt, das ist normalerweise kein gutes Zeichen. Doch hier sieht die Sache anders aus: Der Neue, Daniel Mattle, geht mit mehr Mut und Ideenreichtum an die Sache als seine Vorgänger, kocht eleganter, riskanter. Und er hat die unsinnige Idee aufgegeben, immer gleich zwei Gänge auf einmal auf einem Teller zu schicken, das ist gut so.

An ein paar Details, das vornweg, muss hier noch gefeilt werden. Ich mag es nicht, wenn ich statt anständiger Butter irgendwelche weichen, aromatisierten Buttercremes kriege, und das hausgebackene Brot dazu war zwar gut, aber durchweg überwürzt und drängte sich auf der Zunge viel zu sehr nach vorn. Kleinigkeiten, gewiss, und sonst ließ sich kaum Kritikwürdiges finden. Die guten bretonischen Langustinenschwänze ruhten auf mit Purpur-Curry gewürzten Quinoa, das müsste sogar extremen Öko-Essern gefallen. Ausgezeichnet gelang der Versuch, Heilbuttfilets im Stück zu beizen. Die glasigen Würfel ließen sich zwar etwas schwer schneiden, doch der leicht süßliche Geschmack überzeugte, und die Kombination mit neutralem Pak Choi und einem Klecks vom sehr prägnanten Waldmeistergelee erwies sich als sehr spannungsreich und ausgewogen.

Eher eine sanfte Sache war dann die klare Artischockenconsommé, in der eine nur ganz knapp erhitzte Auster schwamm, eine hübsche Verbindung von Boden und Meer. Gänseleber, CaipirinhaLitschi – die Speisekarte gibt sich sehr knapp – kam als gebratene Foie gras auf süß-säuerlichem Litschikompott, sehr schön. Die Caipirinha-Komponente bestand aus einem süffig grünen, sehr sauer schmeckenden Soßenschnörkel, der auf der Kippe stand: Eine Spur davon frischte die anderen Bestandteile köstlich auf, zu viel riss sie aromatisch in den Abgrund, das ist ein Angebot an das Geschick des Essers.

Weniger risikoreich arbeitete die Küche bei den Hauptgängen. Der makellose Seeteufel hob sich sehr schön von einem kräftigen, aber nicht zu dominanten Paprikagemüse mit Chorizo-Wurst und etwas Safran ab, und das Ruppiner Lamm, aromatisch und einwandfrei rosa, wurde von genau gegarter Zunge und Leber begleitet; Süßkartoffelpüree und kleine weiße Blumenkohlröschen bildeten die schmeichelnde Kulisse, während ein paar Morchelstücke farblos blieben – die hätten mit ihrem zarten Aroma sicher einen eigenständigen Auftritt verdient. (Vorspeisen um 18, Hauptgänge um 29 Euro, vier Gänge 53 Euro.)

Die Desserts schließlich passten sich dem Niveau des Vorangegangenen an, wir probierten eine Erdbeercreme mit Lotus und Estragon sowie ein kleines Valrhona-Schokosoufflé mit Rhabarber und Grüntee-Sorbet, alles kontrastreich mit auffällig wenig Zucker inszeniert.

Der Chef, Anton Stefanov, ist eine bekannte Größe in der Berliner Szene. Vor zwei Jahren hat ihn die Meisterköche-Jury zum „Berliner Maitre 2008“ gewählt, das war verdient, aber er ist vor allem auch ein verlässlicher Sommelier, der nicht einfach die Weine der üblichen Verdächtigen anschafft, sondern eigene Wege geht und deshalb gute Qualität vor allem aus Deutschland sehr günstig anbieten kann. Andererseits sind auch gereifte Große aus Bordeaux sehr günstig zu haben. Das Angebot von rund 200 Flaschen macht die Wahl nicht einfach – deshalb und auch wegen der nicht einfach zu begleitenden Gerichte empfiehlt es sich, das Menü von Stefanov und seinen Leuten glasweise begleiten zu lassen; niemand wird dabei über den Tisch gezogen.

Alte West-Berliner Besseresser werden sich daran erinnern, dass in diesen Räumen einst der legendäre „Bamberger Reiter“ residierte. Dessen Ausnahmerang hat das „St.Moritz“ nicht. Doch dafür bietet es sehr gutes Essen und Trinken zum vernünftigen Preis. Übrigens auch auf der lauschigen Terrasse, falls es doch noch Frühling wird ...

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