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Berlin: Von Tisch zu Tisch: Das "Alt Nürnberg" in Charlottenburg

Das gehen wir heute mal systematisch an. Was ist denn das Ärgerlichste an schlechter Küche?

Das gehen wir heute mal systematisch an. Was ist denn das Ärgerlichste an schlechter Küche? Es ist nicht die Fahrlässigkeit und nicht die Unzulänglichkeit der Köche. Mal ein wenig zu viel Salz, mal ein Fisch zu lange gegart, ein allgemeiner Mangel an Fantasie - das kann jedem passieren, daraus mag ich niemandem einen Vorwurf machen, wenn denn wenigstens die Preis-Qualitäts-Relation stimmt. Mich regen die kulinarischen Vorsatzdelikte auf: Ein Koch soll aus frischen Produkten kochen und nicht Tütenbrühen einrühren und industrielle Tiefkühlware auftauen. Denn dafür hat er seinen Beruf nicht lernen müssen.

Ja, klagen die schlechten Köche jetzt, das gibt unsere Kalkulation nicht her, das können wir nicht finanzieren. Doch was ist personalaufwendig oder teuer daran, nebenher ordentliche Grundsaucen köcheln zu lassen? Das geht nämlich durchaus auch in der so genannten bürgerlichen Küche, wie wir jetzt in einem Restaurant feststellen konnten, das sensible Feinschmecker vermutlich freiwillig nie betreten würden. Denn das "Alt Nürnberg", wie es so bräsig daliegt im Keller des Europa-Centers, muss jeden sensiblen Gast unweigerlich in Alarmstimmung versetzen. Eine Touristenfalle!

Doch mit Touristenfallen hat dieser Betrieb nichts gemein außer der ziemlich offensichtlichen Tatsache, dass er von vielen Touristen besucht wird. Gelegentlich fährt also ein japanisches Blitzlichtgewitter durch den Raum, und die Mitglieder italienischer Busgesellschaften erkunden zagend die Abgründe der teutschen Schweinshaxe. Jawoll, Schweinshaxe. Denn hier wird passend zur gemütlichen, ziemlich stilrein fränkischen Einrichtung auch deftig süddeutsch gekocht, ohne jeglichen Gourmet-Ehrgeiz, aber mit Anspruch; wir haben hier sogar schon sehr gelungene Kalbskutteln gekostet.

Diesmal standen sie nicht auf der Karte, und wir blieben im Reich der kulinarischen Konventionen. Doch auch dabei lässt sich die Sorgfalt dieser Küche zeigen, weil sie zur Gänsebrust keinen dicken Waldorfsalat aus dem Eimer hinhaut, sondern einen leichten, fein säuerlichen Apfelsalat anrichtet und sogar die Cumberland-Sauce selbst produziert, die freilich eher als Saft kam und ein wenig mehr Bindung vertragen hätte. Eisbeinsülze mit Remoulade und Bratkartoffeln dagegen war gewiss nicht leicht, aber in allen Bestandteilen handwerklich gelungen.

Das alles ist ausgesprochen preisgünstig, selbst die Hauptgänge werden überwiegend unter 25 Mark angeboten. Daraus ergibt sich zwangsläufig, dass hier keine üppig besetzte Brigade á la minute kocht, sondern vieles rechtzeitig vorbereitet wird. Das schadete dem kräftig gewürzten, schön mürben rheinischen Sauerbraten keineswegs; nur die Kartoffelklöße waren entschieden zu zäh. Über den Nutzen des Apfelmuses als Beigabe mögen Ethnologen richten ... Sehr ordentlich schmeckten auch die kompakten, ausdrucksstarken Maultaschen in einer dezenten Fleischsauce, die für 14 Mark durchaus als komplette Mahlzeit durchgehen können.

Dazu gibt es ein paar stimmige Desserts, eine kleine Auswahl guter Biere und Weine, und auch der Service funktioniert einwandfrei und mit angemessenem zügigem Tempo. Als an einem Nebentisch Gäste die Qualität zweier Schweinenackensteaks bemängelten - die sind nun einmal durchwachsen -, wurde ohne Diskussion nur eins berechnet. Generell ist es hier möglich, sich gepflegt den Bauch vollzuschlagen, ohne zu zweit die Hundert-Mark-Grenze zu durchbrechen. Ein gutes und empfehlenswertes Restaurant also für jeden, der den rustikalen Stil ab und zu schätzt und nicht mit übertriebenen Erwartungen anreist.

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