zum Hauptinhalt

Berlin: Von Tisch zu Tisch: Das "San Giorgio" in Charlottenburg

Das wird heute ein wenig mühsam, weil es ja eigentlich nichts Neues ist. Denn wer interessiert sich schon noch für klassische italienische Küche?

Das wird heute ein wenig mühsam, weil es ja eigentlich nichts Neues ist. Denn wer interessiert sich schon noch für klassische italienische Küche? Aber ach: Es tun ja alle. Denn während die Desperados der ultraneuen Richtung inzwischen ja Wörterbücher beilegen müssen, um all ihre kulinarischen Schachzüge dem Gast verständlich zu machen, geht beim Italiener alles ganz einfach. Antipasti, Pasta, Secondi, Dolce ... Na, vielleicht auch ein oder zwei Gänge weniger, dafür hinterher den Grappa aufs Haus. Für uns Restaurantkritiker ist das nur ausnahmsweise bedeutsam, und zwar dann, wenn die Qualität des Gebotenen den Verzicht auf kreative Schübe plausibel, womöglich gar notwendig erscheinen lässt.

Das könnte beim längst etablierten "San Giorgio" durchaus der Fall sein. Zwar gibt es dieses Charlottenburger Restaurant schon ewig, worauf nicht zuletzt der mürbe Caprifischer-Charme der Außenwerbung hinweist. Doch erst seit etwa einem Jahr mehrt sich der Ruhm der Küche in auffälliger Weise, was vermutlich mit Änderungen hinter den Kulissen zu tun hat. Hinter der Tür tut sich ein heller, schlichter Raum, auf, hinter den Deckeln der Speisekarte eine Überraschung: Tagesgerichte. Man erspart uns also dankenswerterweise die Litanei der mündlichen Empfehlungen, die ohne Preise vorgetragen werden und deshalb immer leicht halbseiden wirken. Hier steht alles drin mitsamt Preis, und das ist gut so.

Weshalb nun an diesem Abend unbedingt ein Salat mit gebratenem Straußenfilet die dominierende Vorspeise sein musste, weiß ich nicht. Wir wichen auf die Antipasti aus der Vitrine aus, durchweg gut angemachte, knapp gekochte Gemüse abseits der Routine, Fenchel, Spinat, Paprika, Auberginen, Möhren, sehr gelungen. Auch die Nudeln zeugten von akkuratem Handwerk: Linguine mit Schwertfischwürfeln, Kapern und Oliven und Tagliatelle mit Entenfleisch überzeugten durch genaue Garzeit, gute Würze und perfekte Konsistenz (um 20 Mark).

Bei den Hauptgängen lief alles so sicher weiter. Loup de Mer in Salzkruste, am Tisch vom Chef flink und nahezu grätenfrei zerlegt, mit Kräuter-Olivenöl und einem guten Salat serviert - das ist genau die leichte Hauptsache, die nach einer Portion Nudeln noch hinein passt (nach Gewicht, ca 40 Mark). Wesentlich mächtiger fiel die Lammhaxe aus (29,50), ordentlich geschmort mit einer würzigen, in Richtung Orange akzentuierten Sauce; schade, dass der rituelle Gemüseteller dazu doch etwas sehr stereotyp ausfiel. Angesichts dieser sauberen, keineswegs kreativ gefärbten Linie erwarteten wir bei den Desserts keine Überraschung mehr - dass es Mousse au chocolat, Panna cotta und Tiramisu geben würde, war so sicher wie der Parmesan auf den Nudeln. Gegen die Qualität gab es auch bei den Süßigkeiten nichts einzuwenden.

Im Service gab es einige kleine Abstimmungsschwierigkeiten, die nicht ins Gewicht fielen. Dass man uns allerdings die Weinkarte erst mit langem Zögern brachte, könnte Prinzip sein. Denn drinnen stehen ein paar sehr passable Weine, doch mit ihnen scheint sich niemand recht auszukennen. Der teuerste Weißwein, laut Karte ein Chardonnay von Livio Felluga (68 Mark), erwies sich als Chardonnay/Ribolla-Cuvee - nichts dagegen, wäre nicht der Eindruck gewesen, dass sich um solche Details hier keiner kümmert. Und das passt nicht zu dem kleinen, sympathischen Restaurant für alle Italophilen, denen seriöse Küche lieber ist als fauler Zauber. Ja, dann nehmen wir noch einen Grappa aufs Haus.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false