zum Hauptinhalt

Berlin: Von Tisch zu Tisch: Engelbrecht, Schiffbauerdamm 6/7

An manchen Orten merkt man, wie eingewohnt das Regierungsviertel inzwischen ist. Als das Engelbrecht vor vier Jahren eröffnete, war es ein etwas farbloses Restaurant im Wartestand, wobei ein höherer Anspruch schon deutlich erkennbar war.

An manchen Orten merkt man, wie eingewohnt das Regierungsviertel inzwischen ist. Als das Engelbrecht vor vier Jahren eröffnete, war es ein etwas farbloses Restaurant im Wartestand, wobei ein höherer Anspruch schon deutlich erkennbar war. Man wusste nur noch nicht so recht, ob sich diese Gegend jemals beleben würde. In der Zwischenzeit ist hier alles voller Menschen, und in den umliegenden Straßen haben sich jede Menge Schlichtkostkneipen angesiedelt für Politiker, die ihren Appetit volkstümlich halten müssen. Das Engelbrecht hingegen ist eine gute Adresse für Leute, die es eher fein als deftig lieben, zum Beispiel für die heranwachsenden Enkel der Toskana-Fraktion. Die Einrichtung mit vielen Kerzen und den üblichen Elementen der neuen Gründerzeit hat gerade jenen Hauch Patina, der Eleganz unterstreicht, aber Tapetenwechsel noch nicht anmahnt. Vor den großen Fenstern blühen prachtvolle Rosen, und der Service ist unaufdringlich, aber kompetent.

Vorweg gibt es Körnerbrot und Baguette mit Butter und Schnittlauchquark, dazu gut gemischte Cocktails. Als Amuse Gueule cremiger Borschtsch, zierlich im Espressotässchen serviert und von allen bäuerlichen Anmutungen befreit. Wir bekamen eine sehr eindrucksvolle, schmale, aber lang gezogene ovale Platte serviert mit vier verschiedenen Spezialitäten. Die gebackenen Sardinen mit einer leichten Fruchtsauce waren auf Salatblättern angerichtet. Der Tafelspitz, pointiert pikant zubereitet, hätte kaum zarter sein können. Die Kombination von Schinken und hinreißend gutem Kartoffelsalat könnte sich ausbreiten, schon, weil Schinken in diesen Zeiten Vertrauen erweckender schmeckt als Würstchen. Weiche, speckige Matjesfilets aalten sich wohlig auf grünen Bohnen. Und der warme französische Ziegenkäse auf rotem Chicoree, erwies sich als vorzüglicher Appetiteinheizer.

Diese Kombination aus Phantasie und gutem Handwerk wollen wir zum Rollenmodell ernennen. Das Spielerische des Herumprobierens besänftigt den mäkeligsten Begleiter, und es gibt sicher noch mehr regionale Produkte und Gerichte, die sich in dieser minimalisierten Form ganz neu in Szene setzen ließen und frische Geschmacksmoden provozieren könnten (19 DM p.P.).

Aus der sehr verführerisch zusammengestellten Weinkarte hatte wir uns dazu einen Chardonnay von Philipe Chavy aus Burgund ausgesucht (59 DM). Da regionale Produkte im Engelbrecht eine Rolle spielen, nutzten wir den letzten Ausläufer der in diesem Jahr doch eher mageren Spargelsaison. Salzkartoffeln sind okay, (Pellkartoffeln sind besser); aber nun ist ja wieder ein ganzes Jahr Zeit zu überlegen, wie man aus den schlichten Kartoffeln noch etwas Besonderes schnitzen kann. Der Spargel war sehr in Ordnung, streckenweise vielleicht nicht ganz so großzügig geschält, wie es eine bessere Ernte zur Freude aller Beteiligten nahegelegt hätte. Dazu gab es zerlassene Butter und Sauce Hollandaise in kleinen Saucieren. Der salzige Montaduschinken aus Brandenburg liefert ein gutes Gegengewicht zum Spargel (38 DM). Noch gelungener, weil origineller, fand ich die Kombination mit den knusprig gebratenen Doradenfilets (42 DM).

Es hätte einiges auf der Dessertkarte gegeben, was uns noch gereizt hätte, zum Beispiel das Veilchensorbet im Joghurtsüppchen. Aber was lockt mehr als ein Geheimnis? Wir wollten wissen, was sich hinter dem hausgemachten Sorbet "mit passender Begleitung" verbirgt. Das waren zweierlei Sorbetsorten, Kokos und grüner Apfel, und die Begleitung war flüssig, ein kräftiger Schuss Bacardi-Rum ließ die zierenden Erdbeeren und Kapkirschen erbeben und meinen ansonsten eher dessertskeptischen Begleiter aufstrahlen (7 DM).

Nicht nur für umgezogene Bonner und deren Gäste bietet die Aussicht auf den Bahnhof Friedrichstraße, den Tränenpalast und die vorbeiziehenden Lastkähne auf der Spree eine grandiose, sehr Berlin-typische Kulisse. Bleibt zu fragen, ob die Tatsache, dass mittags nicht geöffnet ist, als Zugeständnis an die Qualität zu verstehen ist. An potenziellen Kunden dürfte es eigentlich nicht fehlen. ELISABETH BINDER

Engelbrecht[Tel. 2859], Schiffbauerdamm 6, 7[Tel. 2859], Mitte[Tel. 2859]

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false