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Ganz klassizistisch mit hoher Decke und Seidentapeten: das Restaurant „Friedrich Franz“ im Grandhotel Heiligendamm an der Ostsee.

© Grandhotel Heiligendamm / promo

Von TISCH zu TISCH: Heiligendamm

Ronnie Siewerts Küche im "Friedrich Franz" beglückt alle, die den subtilen, detailfreudigen Umgang mit klassischen Luxusprodukten lieben

Zumindest an den Wochenenden ist es nach meinem Eindruck noch immer ziemlich alles voll an der Ostsee (Ost). Leider trügt aber die Hoffnung, dies könne auch zu einem weiteren Aufblühen der Gastronomie führen. Ganz im Gegenteil: Drei Michelin-Sterne sind dort droben im letzten Jahr faktisch verschwunden, auch wenn sie zum Teil noch dastehen. „Scheel’s“ in Stralsund und „Rugard’s Gourmet“ in Sellin haben sich vorerst erledigt, und auch das Gutshaus Stolpe hat seinen Ehrgeiz nach dem Abgang von Björn Swanson (wieder in Berlin) offenbar eingedampft – es heißt, dass Stefan Frank dort zum dritten Mal antrete.

Zu gut für nur einen Stern

Andererseits hat auch die Hoffnung getrogen, einer der erloschenen Sterne könne nun für Ronny Siewert frei geworden sein, der in Heiligendamm bekanntlich seit Jahren grandios kocht, aber mit nur einem Stern auch seit Jahren unter Wert eingestuft ist. Seine Küche müsste eigentlich alle beglücken, die was gegen die Wurzelgewitter des neuen Regionalstils haben und dafür den subtilen, detailfreudigen Umgang mit klassischen Luxusprodukten lieben – für den das klassizistische Restaurant „Friedrich Franz“ mit der hohen Decke und den Seidentapeten sicher auch der richtige Ort ist. Ein wenig zeremoniell geht es hier immer zu, aber der eigenwillige Maitre Norman Rex überbrückt die Distanz mit unerschütterlicher Freundlichkeit.

Bestechende Aromen-Balance

Siewerts Küche also ist zweifellos eine Luxusküche, aber sie geht mit der Zeit, wird leichter und detailverliebter, ohne die Spielereien zu übertreiben; das Zentrum des Tellers ist nach wie vor erkennbar. Ausgenommen die kleinteiligen Vorspeisen, die in dieser Art kaum jemand besser macht: Die kleinen Gänseleber-Pralinen mit nicht zu süßen Ergänzungen – Erdnusskrokant, Rosmarinkaramell, Creme aus Dörraprikosen – sind großartig. Die Carabinero-Garnele friedet er kontrastreich mit einer geschäumten Salzzitronen-Velouté ein, brät den Kaninchenrücken in einer Zimt-ThymianWacholder-Mischung nebst Artischocken, Iberico-Schinken und Dörrpflaumen-Jus und verdichtet zum Adlerfisch-Filet den Soljanka-Gedanken in eine klaren, leicht gebundenen Jus, der um Edamame-Bohnen und Ingwer-Gurken herumfließt. Nichts davon wirkt exotisch, die Balance von Aromen und Kontrasten ist bestechend genau. Technisch ist das natürlich ohnehin über jeden Zweifel erhaben. Und einen Kracher gibt es seit Jahren mehr oder weniger auf jeder Karte, nämlich die Kaviar-Trilogie: vom Stör auf Rindertatar mit Schalottencreme und auf Kartoffel-Nussbutter-Püree und Sauerrahm, dazu einmal Keta-Kaviar mit Räucheraal und Meerrettich. Dafür sind, ja, 95 Euro à la carte fällig, im VierGang-Menü für 155 schmerzt es nicht ganz so... Es gibt auch vier nicht ganz so kostbare Gänge ab 115 Euro. Die Desserts? Halten Schritt und Stil, zum Beispiel helle Schokolade mit Kombucha, grünem Apfel und Sanddorn. Adäquate, nicht überteuerte Weine.

Und dann die Bar

Es geht auch einfacher, ein paar Schritte weiter in der „Baltic Sushi Bar“. Hier schöpft eine entfesselte Küche aus dem Vollen, serviert eine wunderbare Udon-Nudelsuppe mit Ente, Tempura und Saté-Spieße sowieso, dazu aber vor allem eine enorme Vielfalt von eher unklassischen Inside-Out- und gebackenen Sushi. Puristen werden sich eventuell schütteln – aber mir hat die krosse Peking-Enten-Rolle mit Hoisin-Sauce echt gut geschmeckt. Ach, der Grund, warum ich das hier alles schreibe: Ich liebe die Magie von Heiligendamm. Und die Geschwindigkeit, mit der sich das Hotel von der einstigen Hochnäsigkeit verabschiedet und verjüngt hat und nun einfach anheimelnd ist.

-Friedrich Franz im Grand Hotel Heiligendamm, Tel. 038203 / 7400. Nur Abendessen von Mi-Sa (Winter)

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