zum Hauptinhalt
Renate Stahn, 67, räumt ihre Zoohandlung in Prenzlauer Berg.

© Tsp

Von WOCHE zu WOCHE: Plötzlich 40 Hamster wegen Hartz IV

Renate Stahn ist seit 42 Jahren im Zoohandel, seit 2002 betreibt sie ihren Laden in Berlin-Prenzlauer Berg selbst. Sie brachte auch Post für ältere Nachbarn zum Briefkasten. Jetzt muss sie ihren Laden aufgeben. Es lohnt sich nicht mehr.

Die Anfangsjahre waren sehr schön. Ich bin ja seit 1973 im Zoohandel. Der erste Einbruch kam dann mit Hartz IV. Zu der Zeit habe ich morgens ständig Käfige vor meinem Schaufenster gefunden. Hamster, Meerschweinchen, mongolische Rennmäuse, alles wurde bei mir abgestellt. Die jungen Leute mussten raus aus den WGs und wieder bei ihren Eltern einziehen. Viele von denen hatten Tiere, die konnten sie aber nicht mitnehmen.

Mit einem Mal hatte ich 40 Hamster! Das Tierheim hat mir die auch nicht abgenommen. Ich sei doch Zoohändlerin, hieß es, ich solle die verkaufen.

Angefangen habe ich in der Handelsorganisation Aquarium an der Schönhauser Allee, gegenüber von Konnopke. Ich habe mich von der Reinemachfrau zur Facharbeiterin für Zoologie gemausert. Später bin ich hier in der Zoofachhandlung in der Dunckerstraße gelandet und habe den Laden 2002 übernommen. Das Geld dafür habe ich mir zusammengepumpt.

Ich war immer gerne im Handel. Habe verkauft, beraten und geholfen. Manch einer konnte sich den Gang zum Tierarzt sparen, wenn er bei mir war. Um die Post meiner Nachbarn habe ich mich auch gekümmert. Ich habe Briefmarken verkauft, Briefe angenommen und sie abends in den Briefkasten am S-Bahnhof geworfen. Für die alten Leute war das eine Erleichterung, vor allem im Winter.

Aber zuletzt hat es sich immer weniger gelohnt. Die jungen Leute bestellen ja alles im Internet. Richtig verkaufen will heute auch keiner mehr, die Leute verhökern ja nur noch. Dass der Einzelhandel dadurch kaputtgeht, macht sich keiner klar.

Meinen Laden räume ich diese Woche jedenfalls aus. Ich mache alles selbst: putzen, Regale abschrauben, Löcher zuspachteln. Na, worauf soll ich denn warten – auf einen Mann? Nee, nee, das dauert mir zu lange. In meiner Branche muss man selbstständig sein, sonst kriegt man kein Bein an die Erde. Da muss man auch mal einen Käfig bauen oder eine Vogelstange zurechtsägen.

Aber man wird halt nicht jünger. Irgendwann muss man einen Schlussstrich ziehen. Und ich freue mich jetzt auf den Frühling in meinem Schrebergarten.

In unserer Rubrik „Von Woche zu Woche“ erzählen Leserinnen und Leser des Tagesspiegels, was sie in der neuen Woche vorhaben und in ihrem Leben bewegt. Wollen Sie auch mitmachen? Einfach Mail an berlin@tagesspiegel.de. Der Text wurde aufgezeichnet von Susanne Grautmann.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false